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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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des Abends ein. Genug der unverbindlichen Plaudereien. Die führen zu nichts.
    »Mit Marie?«, fragte Gernhaber und trug den modderigen Fixbuttebeutel, der auf grausame Weise Ähnlichkeit mit einem gebrauchten Tampon hatte, zu einem Mülleimer, der mit »Atomkraft – nein danke«-Aufklebern übersät war.
    »Indirekt schon«, verniedlichte ich die Situation. Gernhaber meinte daraufhin, ich sollte warten, er holte sich nur rasch etwas zum Überziehen. Wir könnten vielleicht hinaus gehen in den Burghof.
    Ich wartete also betreten zwischen randalierenden Tischtennisplattenumrundern und betrachtete die Zarge, die Harald Gernhaber so liebevoll geschnitzt hatte. Richtig hübsch war sie geworden, die Zarge, und sie würde auch eines Tages eine Geige im Gernhaberschen Badezimmer zieren, da war ich mir sicher. Harald erschien in einer grauen, grob gestrickten Joppe, nahm die Zarge, steckte sie wie ein junges Kaninchen unter seine wärmende Joppe und ging mit ihr und mit mir in den Hof hinaus. Es war lau und sehr romantisch, und ich begriff nicht, wie man als Jugendlicher ohne Sorgen in so einer Nacht schwitzend und kreischend um eine Tischtennisplatte herumlaufen kann, wenn draußen der Vollmond leuchtet und die Glühwürmchen schwirren. Ich begriff ehrlich gesagt auch nicht, wie man in so einer Nacht bei lauwarmem Fixbuttetee an einer Zarge schnitzen kann, aber das war Haralds Angelegenheit und nicht meine. Ich war einigermaßen dankbar, dass Harald bereit war, seine Aufmerksamkeit vorübergehend mir zuzuwenden und die Zarge zu vernachlässigen.
    Zuerst schwiegen wir ein bisschen und lauschten nur den Klängen, die Harald Gernhabers Holzpantinen auf dem mittelalterlichen Kopfsteinpflaster verursachten.
    An der Mauer, wo tagsüber Tausende von Touristen stehen und die Dächer der Stadt fotografieren, blieben wir stehen und guckten auf die Lichter. Die beleuchteten Kuppeln des Domes, der Residenz und der Kirchen St. Peter und den anderen bombastischen Bauwerken sahen beeindruckend und romantisch aus. Ob hier schon Wolfgang Amadeus und das Nannerl leise summend gestanden hatten? Die Bäume unterhalb der Mauer auf dem Hügel wiegten sich sanft und leise rauschend im Wind.
    »Ich habe da vielleicht etwas Dummes gemacht«, begann ich und blickte auf die Lichter, die vor meinen Augen verschwammen. Harald Gernhaber schwieg und gab mir die Gelegenheit, mich zu fassen und meine Gedanken zu klaren Worten zu formulieren. »Wissen Sie, ich bin Maries beste Freundin«, sagte ich und hoffte, meine Stimme würde aufhören zu schwanken. Harald bejahte, er wisse es. »Ich will immer nur das Beste für Marie!«, beteuerte ich. Auch das wusste Harald, wie er mir nickend zu verstehen gab. Welch einfühlsamer, großartiger Mensch. Kein Schwätzer. Ein Zargenschnitzer durch und durch. Ich gewann immer mehr Vertrauen.
    »Nun weiß ich seit einiger Zeit, wer ihr Vater ist«, brachte ich die Angelegenheit zögerlich ans Laufen, darum bemüht, nicht wieder gleich alles auszuplaudern.
    »Marie weiß es nicht, und der Vater weiß es auch nicht.« Gernhaber nickte verständnisvoll. Die Lichter der Stadt blinkten mir freundlich zu. Rede nur, mein Kind, sagten sie. Hier will dich keiner übervorteilen. Du bist ein so liebes Mädchen und führst nichts Arges im Schilde. Rede nur, wenn es dich erleichtert.
    »Nur ich weiß es«, wiederholte ich, »und ein paar Vertrauenspersonen, die aber an die Schweigepflicht gebunden sind.«
    »Geistliche?«, lenkte Gernhaber die Sache ins Sakrale.
    »Ärzte und so«, bog ich das Ganze wieder zurecht.
    »Und Marie?«
    »Marie weiß es nicht.«
    »Magst du es ihr denn nicht sagen?«, fragte Harald gütig.
    »Nein«, sagte ich unsicher, »Frau Pfefferkorn hat mich gezwungen zu schwören …« An dieser Stelle erschien es mir angebracht, ein bisschen zu weinen. Im Grunde bin ich doch ein ganz armes Mädchen. So jung und so überfordert. Ich kann das einfach auf Dauer seelisch nicht verkraften! Ich habe schließlich keinen Mann und keine Freundin, – jedenfalls keine, die sich für meine Belange interessiert –, keinen Liebhaber, keinen Lehrer und keinen Verehrer. Meine Eltern sind weit weg und würden die ganze Sache auch keineswegs gutheißen. Ich habe niemanden.
    Gernhaber fand es wohl auch echt bewegend. Er lieh mir ein weißes Schnupftuch, aus dem ein getrocknetes Blümchen fiel.
    »Und jetzt wirst du mit dieser Belastung nicht mehr fertig?«, tütete er das Problem ein.
    Ich nickte heftig Zustimmung. Er hatte es

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