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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Studium. Und das Kleid dürfe ich ruhig behalten. Sozusagen als Dankesgeschenk. Fürs spontane und selbstlose Einspringen. Ich lehnte dankend ab, da das Kleid und ich nicht dieselbe Konfektionsgröße haben, leider.
    Dann ging ich.
    Ich habe Matthäus wieder getroffen. Er saß in der Mensa und stopfte sich eine Currywurst hinein, Essen zwei, und der Stuhl neben ihm war frei. Bis auf eine aufgerissene kleine Tüte Ketchup und den Zigarettenstummel, der darin ersoffen war, lag nichts darauf! Ich stürzte mit meinem Eintopf zu ihm und strahlte ihn an. Dass ich das heute erleben durfte! Einen Bekannten zu treffen! Er erinnerte sich jedoch nicht an mich.
    »Neu hier oder wat«, sagte er, während er seine welken Pommes durch die Currybrühe zog.
    Ich sagte fröhlich erregt, dass ich doch Karla sei, die letzte Woche für ihn in Maries Konzertexamen geblättert habe! Er blickte mich aus seinen wässrigen blauen Augen an, zog die Nase hoch und wischte sich eine Bremsspur aus Ketchup auf die Backe.
    »Ey son Zufall, ey«, sagte er verblüfft. »Total feist, ey! Kommz ja wie jerufen, wa!«
    »Ja, nicht wahr?«, freute ich mich und vergaß ganz das Verzehren meines graugrünen Eintopfes.
    »Die wussten ja nich, wiese dir erreichen können!«, sagte Matthäus und strich sich mit seiner Plastikgabel über die Augenbraue, die nun so aussah, als wäre sie nach einem Boxkampf aufgeplatzt.
    »Wer wusste nicht, wie er mir erreichen kann?«, fragte ich aufgeregt. Man gewöhnt sich an allem, auch am Dativ.
    »Na der Echtwein, ey, und die feiste Sängerin, diese Marie von Otten. Die wollten dir dringend sprechen, von wegen weitere geile Auftritte mit Umblättan im In- und Ausland!« Er schob seinen halb leeren Teller von sich und rülpste profund.
    Ick freute mir unbändig. »Du meinst, die wollen mich wieder engagieren, zum Umblättern?« Vor lauter Freude wischte ich seinen halb leer gegessenen Teller vom Tisch. Er fiel auf seinen Parka, was mir vorübergehend leid tat. Aber das fiel nicht weiter auf, bei dem Lärm und dem Dreck in der Mensa.
    »Ja, mir wollen se nich!« Das kam mit treuem Augenaufschlag, und ich muss gestehen, ich mag den Matthäus. Man muss ihn einfach gern haben, auch wenn er Manieren hat wie ein Schwein. Meine Mama würde sagen, er hätte keine Kinderstube und wäre wahrscheinlich ein uneheliches Kind oder Schlimmeres, und Papa würde schweigend eine Augenbraue hochziehen.
    Ich stürzte zum abgenutzten Telefonhäuschen, das geruchsmäßig jede Übezelle aussticht, und wählte die Nummer, die Matthäus mir in mein Notenheft gekritzelt hatte.
    »Hier bei von Otten, Pfefferkorn am Apparat«, sagte eine Frauenstimme unfreundlich. Im Hintergrund brabbelte ein Baby.
    Ich sagte meinen Namen und dass ich Frau von Otten zu sprechen wünsche.
    »Es ist Mittagszeit, worum geht es bitte!«, kam es schneidend aus dem Hörer, und ich dachte, dass diese Haushälterin ja ganz offensichtlich die Hosen anhätte und dass ich mich jetzt auch in die Übeschlange setzen könnte, das würde jedenfalls keinen Ärger bringen. Vorsichtshalber sagte ich noch mal meinen Namen und dass ich letztens bei einem Liederabend umgeblättert hätte.
    »Ach SIE sind das«, sagte die Haushälterin eine Spur zu herrisch für ihren Job und befahl mir dann, sofort zu kommen. »Marie kann sie dringend brauchen«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Seien Sie pünktlich um vier hier, wenn Sie sich beeilen, schaffen Sie es noch mit der U-Bahn. Die letzten fünf Stationen fahren Sie mit dem Bus.« Dann erklärte sie mir den Weg. Ich war zugegebenermaßen etwas eingeschüchtert von der herrischen Haushälterin, und ebenfalls von der Idee, jetzt mit der U-Bahn durch halb Berlin zu fahren. Eigentlich wollte ich ja üben und anschließend den Kurs für Gehörbildung besuchen, aber selbstverständlich zog ich es vor, Marie wiederzusehen und ihr meine Blätterdienste anheim zu stellen.
    Ich verließ also eiligst das Konservatorium und fuhr mit der U-Bahn, ein Vorgehen, das sich als gar nicht mal so gefährlich erwies wie gefürchtet. Nach einer halben Stunde kletterte ich aus dem U-Bahn-Schacht und befand mich in einem Villenviertel im Grunewald. Der Bus fuhr dann auch beruhigend pünktlich, ähnlich wie in Bad Orks. Ich schaute aus dem Fenster. Sehr vereinzelt nur standen die efeuumrankten Häuser hinter undurchsichtigen Hecken, und draußen an den Mauern waren außer den Namensschildern auch noch Hinweise angebracht, dass die Villa mit

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