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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Recht luxuriös soweit. Bei mir wächst der Verdacht, dass ich diese Wohnung der Mutter abgestaubt habe: Erna Pfefferkorn. Nun brauchen sie eine Ersatzmutter: mich! Für Maximilian will ich gerne sorgen. Er ist ein reizender Junge, wenn er schläft. Die Dogge interessiert mich schon weniger. Marie interessiert mich. Natürlich. Und Willem. Ein bisschen. Jetzt muss ich wohl oder übel mal ins Konservatorium fahren, sonst kann ich das Semester ganz vergessen. Ab jetzt wird fleißig studiert, das habe ich Papa am Telefon versprochen.
    Kaum war ich unten auf dem Kiesweg, um in die Hochschule zu fahren, erschien Marie sofort am Fenster: »Gehst du weg, Karla?«
    »Ja, ich muss üben! Das Semester ist schon halb rum und ich habe noch keine Taste angerührt!«
    »Aber das kannst du doch hier tun! Ich habe einen weißen Flügel!«
    »Der steht doch bei euch im Wohnzimmer und ich würde dich stören.«
    »Aber nein, Karla, du störst mich nicht! Im Gegenteil! Komm rein und übe, so lange du willst! Ich höre dir gern zu!«
    Eigentlich hasse ich es, wenn mir jemand beim Üben zuhört. »Ich darf also wirklich üben?«
    »Der Flügel wird dir gefallen!« Ich erwartete, sie würde wieder sagen, dass er weiß sei, aber sie betonte es nicht noch einmal. Ich klappte den Deckel auf und strich über die Elfenbeintasten. Vorsichtig ließ ich mich auf dem samtbezogenen, drehbaren Hocker nieder. Ich schlug einen Dreiklang an. Herrlich, dieser Klang, weich und voll und blitzsauber gestimmt. Ich schlug noch einen Akkord an. Wunderbar! Wie ein warmes Bad! Jetzt würde ich üben, stundenlang, ungestört! Ich war selig. Da ruckelte es an meinem Hocker. Ich zuckte zusammen. Maximilian sägte an meinem Stuhl! Er wollte sich aufrichten und auch ein paar Töne spielen. Marie kam mir ein bisschen zu Hilfe.
    »Nicht jetzt, Maxi, die Karla will üben!« Sie versuchte, ihn auf den Arm zu nehmen, aber er war zu schwer. Maxi warf sich wütend nach hinten und fing an zu kreischen. Sein Gesicht verfärbte sich dunkelrot und er strampelte trotzig mit den Beinen. Dabei trat er mit solcher Wucht gegen den Samthocker, dass der über das Parkett schlidderte und am Gläserschrank zu Fall kam. Es klirrte.
    »Maximilian!«
    »Bääääh!«
    Ich hatte Mitleid mit der trotzigen Kreatur auf dem Boden. »Komm, mein Kleiner, du darfst auch mal spielen!«
    Maximilian ließ sich willig an seinen Wurstärmchen nach oben ziehen. Marie holte den Hocker und wir wuchteten den prallen Popo in die Senkrechte. Maximilian holte mit beiden Armen aus und schmetterte seine klebrigen Patschhände auf die Tasten. Begeistert von dem Lärm, den er erzeugte, drosch er nun auf den Flügel ein und hinterließ Nutella-Spuren auf dem Elfenbein. Wir ließen ihn gewähren, denn das Kind brauchte ja eine freie Entfaltung, und möglicherweise steckte eine musikalische Begabung in ihm, schließlich trug er ja Erbgut von Echtwein in sich.
    Dann entdeckte das musikalische Kind allerdings ein paar Bleistifte und Kugelschreiber, die an der Seite lagen, und er fing an, begeistert in den Zwischenräumen herumzubohren. Marie sagte: »Nein, Maximilian, das darfst du nicht!« Maximilian bohrte weiter. Ich versuchte, seine Arme festzuhalten, aber er war stärker. Wie mit einem Presslufthammer rückte er den Tasten zu Leibe und wollte sie von unten wegstemmen. Das hatte nun nichts mehr mit Musikalität zu tun, würde auch Mama sagen. Das Kind brauchte Grenzen! Wir zerrten Maximilian vom Hocker, der dabei umfiel und auf das Parkett krachte. Maximilian warf sich nach hinten und brüllte. Mit den Kugelschreibern ging er auf Maries Gesicht los.
    »Komm mit mir, die Mama hat was Leckeres für dich!«, hörte ich Marie noch sagen, als sie mit ihm in Richtung Küche verschwand.
    Dann stellte ich den Hocker wieder auf die Beine, schloss die Tür hinter Marie und dem Horrorkind und setzte mich. Eine Tonleiter. Noch eine. Noch eine. Meine Finger wurden immer schneller, mein Geist immer wacher. Es war wunderbar. Dieser Flügel, diese Akustik, diese Ruhe! Das Telefon klingelte. Marie kam rein, auf dem Arm hatte sie Maximilian, der sich eine Knackwurst mit Senf ins Gesicht schmierte. »Hältst du ihn mal schnell? Das ist für mich!«
    Na klar, dachte ich. Für wen denn sonst. Ich stemmte das Wurstkind auf meine Hüfte. »Da«, sagte es und rammte mir die Wurst an die Backe. Es bestand darauf, dass ich von der angelutschten Wurst abbeiße. Ich tat es, um des lieben Friedens willen. Marie hob den Hörer ab, bekam

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