Karlas Umweg: Roman (German Edition)

echt feist rausgeputzt: mit allem, was Marie mir schon geschenkt hat. Maries Make-up, die neuen mariefarbenen Haare mit der knallroten Strähne, die hautengen Jeans mit den Cowboystiefeln und Maries sehr lässigen lila Kaschmirpulli. Marie fragte völlig erstaunt, wo ich hinginge und was ich vorhätte, so als Marie zwei. Im Moment ist sie noch die Goldmarie und ich die Pechmarie, aber das wird sich eines Tages umkehren. Da ich ja diesmal nichts zu verbergen hatte, habe ich nicht etwa leise und unauffällig den Abgang gemacht, sondern bin extra noch mal rein zu ihr in die Küche, um mich ganz unverbindlich zu verabschieden und allseits einen schönen Abend zu wünschen. Marie saß gegenüber von Maximilian, der in seinem Hochstuhl klemmte, und stopfte ihm Nudeln mit Tomatensauce in den gierig aufgesperrten Schnabel. Da Maximilian inzwischen selbst einen Löffel halten kann, sah es in der Küche aus wie nach einer blutigen Schlacht. Marie sah blass und überarbeitet aus. So eine Abtreibung schlaucht ganz schön, kann ich mir vorstellen.
    »Da!«, sagte Maximilian, als er mich sah, und warf mir eine Hand voll Nudeln vor die Füße. Ich konnte gerade noch zurückspringen, sonst wäre es an meinen engen Jeans kleben geblieben. Mit Matthäus habe ich dann einiges getrunken und mindestens zehn von seinen selbst gedrehten scheußlich schmeckenden Zigaretten geraucht. Aber anders könnte ich seinen Geruch nicht ertragen. Es war ein irres Gefühl, so ganz in der studentischen Szene integriert zu sein. Gesprochen haben wir diesmal eigentlich überhaupt nichts Zusammenhängendes. Irgendwie war Matthäus verlegen, weil ich so gut aussah. Er kam auch nicht auf die Idee, mich Karla Breitarsch zu nennen! Die Sache mit seiner Wohnung haben wir auch überhaupt nicht mehr angesprochen. Da ist Hopfen und Malz verloren.
    Es hätte auch gar nichts gebracht und wäre nur schade gewesen um die Wirkung, die mein Outfit bei ihm ausgelöst hat. Er hat mir das Bier bezahlt und eine Zigarette nach der anderen angeboten, ansonsten bemühte er sich den ganzen Abend redlich darum, mich zum Lachen zu bringen, was ihm natürlich auch gelang. Matthäus hat so Sprüche drauf wie »Wer im Glashaus sitzt, sollte im Keller pinkeln«. Er hat alle Dozenten vom Konservatorium nachgemacht, wie sie reden und wie sie Klavier spielen. Dann hat er Sänger imitiert, in deren Gesangsstunden er neuerdings begleitet, und spätestens da konnte ich mich nicht mehr halten vor Lachen. Er hat das wirklich sagenhaft gut drauf, Leute zu imitieren. Genau die Schwächen der Leute kann er hervorragend rausarbeiten. Über die Vorzimmermaus, die Geschiedene vom Echtwein, hat er gesagt: Als die Dauerwelle erfunden wurde, hat man erst mal Tierversuche gemacht. Erst an Pudeln und dann an dem Echtwein seiner Ollen. Fand ich echt gemein. Eigentlich ist es ein bösartiges und schadenfrohes Lachen, zu dem er mich den ganzen Abend angeregt hat, aber es tut ungeheuer gut und kommt so richtig aus der Magengegend. Außerdem: je lauter ich lachte, desto mehr Leute von den Nachbartischen guckten zu uns rüber! Wie er den Echtwein nachmacht, das ist schon zum Brüllen. Setzt sich ganz krumm und rückgratlos auf eine Stuhlkante und bläst griesgrämig Ringe in sein Bierglas. Oder Zurlinde, den Gesangsprofessor! Wie eitel er im Raum rumwandert und seinen Schülern dabei was vorknödelt! Dabei schlägt er sich auf die Brust wie ein Gorilla. Dann hat er Marie nachgemacht, wie sie lacht. Da hat’s mich vom Stuhl gehauen. Er hat sie haargenau studiert. Auch du, mein Sohn Brutus.
    Marie hatte mal wieder Besuch von Echtwein!
    Ich musste sofort Maximilian übernehmen, weil Frau Krotoschyin gerade einen Behördengang unternahm, wegen ihrer polnischen Verwandten. Sie will sie, glaube ich, alle rüberholen in den Westen, weil es hier so viele Möglichkeiten im Dienstleistungsbereich gibt. Keiner von den Westbürgern will die Drecksarbeit mehr machen. Matthäus sagt, in der Hochschule gibt es nur noch so wenige Putzfrauen, dass der Hausmeister schon wieder mit seiner eigenen Frau schlafen muss.
    Echtwein und Marie verschwanden im Wohnzimmer und knallten mir die Tür vor der Nase zu. Dass Marie die halbe Portion überhaupt noch zu empfangen bereit war! Nachdem er sich wochenlang nicht um sie gekümmert hat! Andererseits begibt sich Marie durch ihre Vielseitigkeit und Variabilität in keinerlei seelische Abhängigkeit. Das ist ihr Geheimnis. Sie hat es überhaupt nicht nötig, sich von einem Mann