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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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solchen Kreisen ja sicher auch mal einen Mann kennen.
    Oder du siehst dich auf Dauer als Lebensgefährtin von Ludger. Dann wird Tante Hella in deinem Leben eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Du wirst bei ihr in der Küche sitzen und H-Milch trinken, von anderen unverdaulichen Gerichten ganz zu schweigen. Du wirst durch ihren Telefonhörer Klavier spielen, damit Tante Hellas Bekannte merken, was Tante Hella für einen Umgang hat. Das beinhaltet natürlich, dass du Ludgers blassblaue Hemden bügeln und seine körperfeindliche Erziehung ausbaden darfst. Im Vergleich zum täglichen Umgang mit Marie und ihren Liebhabern erscheint mir diese Alternative vergleichsweise reizlos.
    Oder, und das ist die allerletzte Lösung, du gehst nach Bad Orks zurück und schämst dich gründlich. Dann kannst du, wenn du Glück hast und deine Stelle wiederkriegst, wieder auf dem Flur stehen und Reginas unerträgliche Ergüsse über ihre Probleme mit Gernot anhören. Und du wirst wieder von trägen Klavierschülern mit Dreckrändern unter den Fingernägeln erwartungsvoll angegafft.
    Nein. Kommt nicht in Frage.
    Ich gehe auf keinen Fall nach Bad Orks zurück.
    Als ich heute Morgen mit Olga zum Park hinauf keuchte, kam Willem mir mit seinem weißen BMW nachgefahren. Er ließ die Scheibe heruntergleiten – Männer wie Willem kurbeln nicht, die lassen gleiten! – und fragte mich, was denn mit unserem Tennisspiel würde. Augenblicklich klopfte mein Herz höher. Sollte Willem etwa mit mir Tennis spielen wollen, weil ich eine hübsche Nase habe? Oder will er mit mir über seine Probleme mit Marie sprechen?
    Hastig ließ ich Olgas Leine los, weil sie so zerrte und weil ich in Ruhe mit Willem sprechen wollte. Olga raste sofort Richtung Park davon; wahrscheinlich musste sie eine dringende Notdurft verrichten. Weil wir den Verkehr aufhielten, sagte Willem, ich solle einsteigen, er würde mich zum Park fahren, damit ich Olga dort wieder einfangen könnte. Unterwegs verabredeten wir uns für heute Nachmittag um drei in der Tennishalle auf dem Werksgelände. Er hat mir erklärt, wie ich da hinkomme, und dabei zweimal aus Versehen meine Hand berührt. Es war wahnsinnig toll, neben ihm im Auto zu sitzen und sein unglaublich irisch-männliches Rasierwasser einatmen zu dürfen. Ich war den Rest des Tages ganz benommen von ihm und seinem Duft und dem Hauch seiner Berührung auf meiner Hand. Das blöde Olga-Vieh hatte keinerlei Sinn für meine romantische Stimmung und seiberte mir wie immer auf die Schuhe. Später habe ich mit Maximilian den gleichen Spaziergang noch mal gemacht, nur um auf den Spuren meiner Romantik zu wandeln. Wenn ich Marie doch von meinen Gefühlen für Willem erzählen könnte!
    Aber sie würde sich über mich kaputtlachen. Nein, niemandem kann ich erzählen, dass Willem der Mann meines Lebens ist, ihm leider auch nicht. Er hätte kein Verständnis für solche Verwirrungen des Herzens, und die unliebsame Folge wäre höchstens, dass er mir nahe legen würde auszuziehen. Dann säße ich da und die ganze Sache hätte nichts gebracht. Nein, ich muss es mit Autosuggestion versuchen. Eines Tages ist er mein! Mit Mathe, damals im Gymnasium, da hat das mit der Autosuggestion jedenfalls geklappt. Ich hab mir immer wieder eingeredet, dass ich es nicht kann, und es hat funktioniert.
    In der Tennishalle. Ich hocke auf einer Bank in der Ecke der leeren Werkshalle. Es ist alles ganz unwirklich und gespenstisch. Komme mir vor wie ein Flüchtling, der den letzten Zug in den Westen verpasst hat. Hätte ich eben den Lichtschalter nicht gefunden, säße ich jetzt hier im Stockdunkeln. Anscheinend spielt Willem hier nicht so oft Tennis, denn an der Wand steht ein gekritzelter Spruch von einem offensichtlich frustrierten Mitarbeiter: »Der Chef behandelt uns wie rohe Eier. Er haut uns in die Pfanne.« Aber vielleicht gilt der Spruch dem verstorbenen Senior-Chef.
    Hoffentlich kommt Willem pünktlich. Fühle mich schrecklich verloren in dieser riesigen grünen Halle. Marie hat mich eben gefragt, ob ich üben gehe, als ich mich gegen halb drei davonschleichen wollte. Willem hat ihr also nichts davon erzählt, dass wir verabredet sind! Ich habe dann gesagt, ich hätte den Kommilitonen von der Gesangsklasse versprochen, dass ich sie begleite, damit Marie mich auch auf jeden Fall gehen ließe. Sie hat nicht an der Richtigkeit meiner Aussage gezweifelt und sich mit Olga beschäftigt, als ich das Gartentor hinter mir zumachte. Wieso ich mit einer großen

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