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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ausgebeulten Sporttasche zu der Gesangsstunde gehe, hat sie nicht gewundert. Marie bemerkt solche Kleinigkeiten nicht, wenn sie nicht unmittelbar sie selber angehen.
    Willem kam um Punkt drei, den Tennisschläger in der Hand, in kurzen weißen Hosen und mit super muskulösen, behaarten, braun gebrannten Beinen. Ich möchte mal wissen, wieso ein Mann mitten im Februar so braune Beine haben kann. Vielleicht ist er in Zürs mit kurzen Hosen Ski gefahren? Er hat erst mal verlegen gelacht und gesagt, dass er im Tennis noch ein Anfänger sei und dass es ihm peinlich wäre, hier vor seinen Mitarbeitern zu spielen. Deshalb hätte er sich einen Termin ausgesucht, wo die Mitarbeiter alle beschäftigt sind. Und keiner würde wissen, dass er jetzt hier sei. Noch dazu mit einer so jungen, hübschen Frau. Das sei ihm alles etwas peinlich. Ich habe innerlich frohlockt, denn das war doch schon mehr als ein Geständnis! Ich hatte rasendes Herzklopfen.
    Willem fragte, ob alles in Ordnung sei und ob es mir gut gehe, ich mache einen so abgemagerten Eindruck. Ich hätte gern gesagt, wer verhungert schon gern bei reichlich gedecktem Tisch, aber ich entschied, das führt jetzt zu nichts, und so sagte ich, alles bestens, und wir könnten loslegen. Wir haben dann gespielt, und ich habe gleich begriffen, dass er nur ganz seichte Hausfrauenbälle vor die Vorhand serviert bekommen darf, sonst kriegt er den Ball nicht. Rückhand ist überhaupt nicht vorhanden, er sagt, so weit sei er in seinem letzten Urlaub auf den Kanarischen Inseln nicht gekommen. Und Marie spielt ja leider nicht Tennis, sie zieht es im Urlaub vor, sich im Hotel mal richtig zu entspannen, während er Sport treibt.
    Ich habe ihm dann eine Stunde lang die seichten Muttibälle vorgelegt, die ich schon in Bad Orks den kurschattenlosen Damen serviert habe, und er hat sie alle mehr oder weniger krumm zurückgeschlagen. Keine Ahnung vom Tennis hat der, wirklich nicht. Aber ich fühlte mich wie im Himmel in dieser schmucklosen, kalten, dunkelgrünen Tennishalle. Eine ganze Stunde lang war ich mit Willem allein! So glücklich habe ich mich seit meinem Auszug aus Bad Orks noch nie gefühlt. Es war wahrscheinlich die schönste Stunde meines Lebens, sieht man mal von dem Spaziergang mit Willem Heiligabend im verschneiten Stadtpark ab. Da konnten wir uns nämlich zusätzlich noch unterhalten, was natürlich nicht möglich war auf die Entfernung heute. Um vier kamen einige Leute rein, und Willem beeilte sich, ungesehen zu verschwinden.
    »Sammel du die Bälle ein, Karla!«, rief er mir verschwörerisch zu. »Du weißt ja, dass ich inkognito hier war!« Ich lief dann mit zitternden Knien herum und sammelte die zweihundert Bälle ein, die wir verschleudert hatten.
    Bei Licht besehen: Ich spinne rum. Eigentlich war ja gar nichts zwischen uns. Wir haben nur ein bisschen Hausfrauentennis gespielt. Völlig ohne Emotionen eigentlich.
    Und berührt haben wir uns kein einziges Mal. Aber dass er Marie nichts davon gesagt hat! Wenn ich sein kleines Geheimnis bin, dann muss doch einfach was dahinterstecken! Willem ist ein Gentleman. Der würde niemals einen plumpen Annäherungsversuch machen. Der ist cool, der Willem. Bei dem hat das nichts mit Körperfeindlichkeit zu tun.
    Die Sache mit Willem hat mir den totalen Auftrieb gegeben. Das hat mich dazu angestachelt, Ludger ziemlich von oben herab auf seinen Brief zu antworten, ähnlich wie Marie mir das mal geraten hat. Männer sind wie Waschmaschinen, hat Marie gesagt, wenn man sie anmacht, drehen sie durch. Wenn man einen Mann im Netz zappeln lässt, wird er immer verrückter. Die Männer wollen zappeln, das sind die Spielregeln. Ludger ist ein gutes Studienobjekt. Ich kann ja Willem nicht ohne jede Erfahrungen mit seinem Geschlecht gegenübertreten. Lieber Ludger, habe ich mir also aus der Feder gesogen, nett, dass du so viel Verständnis für meine Launen aufbringen konntest! Ich bin nämlich keine Frau für die erste Nacht. Im Moment habe ich wahnsinnig viel Stress, weil ich mit Marie einige Auftritte vorbereite und außerdem täglich mit meinem Chef Tennis spiele. Du kannst ja bei Gelegenheit mal vorbeikommen und dir anschauen, wie ich hier so wohne. Mein Chef ist Fabrikbesitzer, die Villa etwa fünfhundert Quadratmeter groß, der Fernseher dreht sich von selbst, wenn man ihn per Fernbedienung einschaltet, und das Gartentor öffnet sich auf Knopfdruck geräuschlos. Nur die Schwiegermutter kann er noch nicht wegzappen. Kleiner Scherz, hahaha. Nun

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