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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Anspruch mit der Aufarbeitung meiner Vergangenheit. Es ist hochinteressant, was dieser Mann alles aus mir herausgearbeitet hat!«
    Also erst mal nix mit Amerika. Das ist man von Marie ja schon gewöhnt. Die wechselt ihre Meinung wie andere ihre Unterhosen. Das soll mal kein Grund zur Sorge sein.
    Ich lehnte mich entspannt zurück, um Marie über ihre Probleme mit ihrer Vergangenheit zuzuhören.
    Maximilian robbte derweil zu der Schale mit den Pralinen, die auf dem niedrigen Tisch am weißen! Sofa! steht, und war beschäftigt mit dem Auslutschen und Ausseibern von Pralinés und dem Beschmieren des weißen! Sofas! mit Nugatspucke.
    »Herr Doktor Holzapfel«, sagte Marie, »macht etwas aus seinem Leben, er ist ein ganz besonderer, außergewöhnlicher Mann. Nicht so ein Hänger wie Edwin, oder so ein Spießer wie Heyko, oder so ein Spinner wie Robert, oder so ein Angeber wie Siegmund Sterz, und auch nicht so ein Rumfaseler wie Rainer, der Agent aus Düsseldorf. James ist ein Phänomen, in jeder Hinsicht!«
    Sie lachte und küsste ihr Sherryglas.
    Ich nahm an, dass ich das psychotherapeutische Weiterbildungsdiplom letztlich aber doch genauso einstufen kann wie die Ente auf dem heimischen Tümpel, die selbst gezimmerte Heimsauna im Keller, die überlangen Stimmbänder und die Vanilleeisfabrik.
    »Wer ist James?«, fragte ich, obwohl ich es ahnte.
    »Eigentlich heißt er Hans, aber das ist ihm zu profan. Freunde nennen ihn James. Er macht Psychoanalyse nach C. G. Jung. Das kann dauern!«
    Marie trank Sherry und lehnte sich entspannt zurück. Wie viel neue Lebensfreude ihr dieser Heimpsychologe schon vermittelt hat!
    »Was ist mit Edwin?«, fragte ich, als ich die Zigarette ausdrückte.
    »Edwin weiß natürlich nichts von James«, sagte Marie und steckte sich eine neue Zigarette an. »Du darfst ihm auf keinen Fall etwas sagen!«
    »Ist klar. Mit Edwin führe ich sowieso keine Privatgespräche. Ich wollte nur wissen, was mit seinen Amerika-Plänen ist.«
    »Ach so«, sagte Marie. »Weiß ich auch nicht. Ist mir auch völlig schnuppe, ehrlich.«
    Gestern war ich mit Maximilian in dieser unglaublich alternativen Krabbelgruppe. Die Institution nennt sich »Saubären-Bande e.V.« und über dem Eingang steht: »Staatlich und privat geförderte Institution zur Förderung frühkindlicher Entwicklung«.
    Ich schleppte Maximilian also zu den staatlich geförderten Saubären. Da er mit 22 Monaten immer noch nicht laufen kann, trug ich ihn im Schweiße meines Angesichtes die zwei Treppen hinauf bis in die Krabbelstube, setzte ihn mitten in den Raum auf den Fußboden und wischte mir erst einmal den Schweiß von der Stirn. Dann versuchte ich, aus dem Saubären-Knäuel eine Erzieherin oder Kindertante herauszufinden, was nicht so einfach war. Es waren ziemlich viele Erwachsene da, die eigentlich dem Stadium des Krabbelns entwachsen sein sollten. Aber alle wälzten sich auf dem Boden oder lagen auf dem Bauch. Maximilian saß ratlos in der Mitte und guckte sich staunend um. Niemand beachtete uns. Ich ging mir den Mantel ausziehen und schälte dann auch Maximilian aus seinem weißen Zürs-Skianzug. Ein bärtiger Mann im T-Shirt und mit Latzhose wälzte sich an uns vorbei. Ich hoffte, es würde jemand Notiz von uns nehmen. Doch die Saubären wälzten und suhlten sich und gingen vollkommen darin auf. Maximilian robbte auf dem Popo zu einem Regal und zog sich einen Trecker heraus. Mit dem machte er »brumm brumm«, wie wir das zu Hause immer tun. Ich setzte mich neben ihn und ließ die zwanglose Atmosphäre auf mich einwirken. An der anderen Wand saßen einige Frauen, die ihre selbst gestrickten Pullover hochgeschoben hatten und runzelige Säuglinge stillten. Eine hatte völlig cool Zwillinge an der Brust; an jeder eins. Lässig, so stereo stillen. Sie hatte keine Hand frei für eine Zigarette, deswegen reichte ihre hilfsbereite Nachbarin ihr eine an die Lippen. Außer den Stillfrauen waren noch andere Mütter mit Babys da, die hatten sie sich bäuchlings auf die Knie gelegt und hauten ihnen rhythmisch auf den Popo, während sie sich miteinander unterhielten. Die Säuglinge waren nicht, wie ich das von Milupa-Werbebroschüren her kenne, in hellblaue oder rosafarbene Strampelanzüge mit Schleifchen gehüllt, sondern hatten grob gestrickte graue Wollpullover an und unten einfach nur einen Sack, in dem sie die optimale Beinfreiheit hatten. Auf dem Kopf hatten sie auch selbst gestrickte Mützen, obwohl es in dem Raum ziemlich warm war. Die

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