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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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größeren Kinder, also die eigentlichen Krabbelkinder, spielten und suhlten sich auf dem Fußboden herum. Die Erwachsenen, die keine Babys stillten oder beklopften, tobten ebenfalls auf der Erde herum. Es waren wie gesagt auch Männer dabei, nur konnte man die von hinten nicht so ohne weiteres erkennen, da sie genauso gekleidet und frisiert waren wie die Frauen. Also, frisiert waren sie eigentlich nicht, aber sie hatten einen ähnlichen Haarwuchs. Als ich es schon aufgegeben hatte, eine Kindergärtnerin ausfindig zu machen, kam eine bebrillte Frau im karierten Wollrock und mit einem Dreieckstuch über den Schultern rein und rief: »Ey, Leute, hört mal her, könnt ihr mal bitte eben alle aufstehen und euch vernünftig hinsetzen! Heute kommt dieser Millionärssohn, wo der Alte einen Tausender gespendet hat, mit seiner Kinderfrau. Ich finde es gut, wenn die nicht gleich einen Schreck bekommen. Wir könnten doch versuchen, jetzt mal was Ruhiges zu spielen. Oder der Jö liest uns ‘ne Geschichte vor. Ich finde es besser, wenn der Millionärssohn nicht gleich rückwärts wieder rausfällt!«
    Die Erwachsenen hörten auf zu toben und setzten sich im Schneidersitz auf den Boden. Die Zwillingsmutter hörte auf zu rauchen und die Popoklopferinnen nahmen ihre Kinder hoch. Die Saubären tobten unvermindert laut weiter und Maximilian fing an zu weinen. Ich nahm ihn tröstend in den Arm und stemmte ihn hoch. Da entdeckte man uns. »Ey, Leute, ihr könnt euch wieder ganz zwanglos geben, sie sind eh schon da!«, beschied die Chefin. Die Erwachsenen stürzten sich wieder zu den Krabbelkindern auf den Fußboden. »Konnte ich ja nicht wissen, dass du schon da bist«, sagte die Erzieherin zu mir. »Der Kleine wird sich schon noch an uns gewöhnen.«
    Ich tröstete Maximilian und ging mit ihm in den Flur, wo es etwas ruhiger war. Maximilian brüllte wie am Spieß. »Ey, wenn du den Kleinen hinlegen willst, hier haben wir Matratzen«, sagte die Kindergärtnerin und öffnete eine Tür. Drinnen war es dämmrig und stickig. Zwei Schmuddelkinder pennten fest.
    »Nicht nötig«, sagte ich, »der beruhigt sich schon wieder. Er ist halt nur keine Kinder gewöhnt.«
    »Das ist echt Scheiße«, sagte sie. »Die Kids können gar nicht früh genug soziales Verhalten lernen.« Im Weggehen drehte sie sich noch um und rief mir zu: »Ich bin übrigens die Connie. Ich und der Holger leiten das hier. Wenn du Fragen hast, kannste zu mir oder zum Holger kommen.« Damit verschwand sie in der Küche.
    Ich lief mit Maximilian im Flur auf und ab, bis er sich beruhigt hatte. Nach einer halben Stunde war er so weit, dass wir wieder reingehen konnten. Drinnen in der Krabbelstube wurde gerade ein Riesen-Gebilde aus Knetgummi gebaut. Maximilian streckte seine Speckärmchen danach aus.
    »Von bleiben!«, brüllte eine Frau mit schwarzen Gel-Strähnen und rot umrandeter Brille. »Von wen is denn det dicke Monster?«
    Ich hielt Maximilian fest. Er schrie und wand sich trotzig und drosch auf mich ein, und auf das am Busen nuckelnde Lumpenbündel meiner Nachbarin drosch er gleich mit.
    »Maximilian!«, kreischte ich und riss ihn weg.
    »Lassen doch, ey«, sagte die Mutter von dem Bündel. »Das muss der abkönnen, der Daniel. Muss er alles lernen.« Und dann, mit einem Blick auf Max: »Ist der so fett oder haste den ausgestopft?«
    »Aufgepumpt«, sagte ich.
    »Wat machste denn mit dem, damit er nicht platzt?«, fragte mich die Frau.
    »Ich lasse abends immer ein bisschen Luft raus«, sagte ich.
    »Mensch, ey, du bist in Ordnung, ey«, sagte die junge Mutter. »Biste neu hier?«
    »Ja. Heute zum ersten Mal.«
    »Du, die Saubären sind echt die beste Krabbelgruppe in ganz Berlin«, sagte sie. »Du hast echt Schwein, dass du hier noch einen Platz gekriegt hast für dein Michelin-Männchen. Eigentlich sind die immer schon auf Jahre im Voraus ausgebucht.«
    »Quasi direkt nach dem Vögeln musste dich hier schon anmelden«, sagte die Eine.
    »BEIM Vögeln«, sagte die Zweite.
    »Am besten vorher«, rief die Dritte.
    »Und wie hast du den Platz gekriegt, du?«, fragte ich die stillende Mutter.
    »Der Daniel ist ja schon mein viertes Kind, da kriegste Geschwisterrecht.«
    Ich hatte sie im Verdacht, dass sie nur deshalb so viele Kinder bekam, damit sie ungestört jahrelang in dieser Krabbelgruppe rumhängen konnte.
    »Och«, entfuhr es mir, »wie alt bist du denn?«
    »Warum fragst du das, du?«, antwortete sie.
    »Du, ich dachte nur«, sagte ich.
    »Wieso, wie alt bist du

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