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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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gehabt hätte. Zum Beispiel meine Ehe mit Willem und unsere kleine Familie mit Maximilian, und unser Haus mit den ganzen Dienstboten und so, das macht sie alles madig und schlecht, weil sie selber nie eine Ehe und nie einen Sohn und keine Dienstboten und keine Villa hatte.«
    »Interessant«, sagte ich.
    »In meinem lebenslangen Kampf gegen meine Mutter«, philosophierte Marie weiter, »musste ich mich ständig mit ihrem Neid und ihrem Geltungsdrang auseinander setzen. Deshalb neige ich auch zum Ausbrechen, sagt James. Das wäre typisch für Frauen wie mich, sagt er, dass sie an einen ganz soliden Mann geraten, weil sie die Geborgenheit, die ihnen in der Kindheit gefehlt hat, nachholen wollen.«
    Das leuchtete mir alles ein.
    »James hat Willem und mich zum Abendessen eingeladen«, unterbrach Marie meine Gedanken. »Morgen Abend will er für uns Französisch kochen.« Sie kicherte in freudiger Erwartung. »Menage à trois!«
    Ich begreife es nicht. Aber, habe ich Marie je begriffen?
    Frau Krotoschyin war heute mit Max in der Krabbelgruppe und kam völlig aufgelöst und entrüstet wieder: in so einen Dreckstall brächten sie keine zehn Pferde mehr. Alle Kindergärten Polens seien sauberer und gepflegter als dieses Loch, und das sollte schon was heißen. Marie hatte gerade keine Zeit, weil sie telefonierte.
    Nach ihrem Telefonat kam Marie in meine Mansarde herauf. Sie war aufgeregt und platzte vor Mitteilungsdrang. Zurlinde hatte angerufen und ihr mitgeteilt, dass es geklappt hat! Sie ist als jüngste Jurorin Europas in den großen internationalen Gesangswettbewerb nach Salzburg eingeladen und muss bereits nächste Woche an den Ausscheidungswettbewerben teilnehmen.
    »Edwin begleitet die Vorlauf-Runde, und ich will, dass du blätterst. Du weißt schon warum.«
    »Nein«, sagte ich. »Warum?« Ich bin nämlich jetzt in einem Stadium angekommen, wo ich Anweisungen von Marie hinterfrage.
    »Weil ich den Kontakt zu Edwin nicht ganz verlieren möchte«, sagte Marie. »Er hat schon seit Tagen nichts von sich hören lassen. Ich finde es total unfair von ihm, dass er immer einen auf beleidigt macht. Der ist eine so armselige Wurst …«
    »Möchtest du das denn, jetzt, wo du mit James …«
    »Aahh!«, sagte Marie und ließ sich auf meinem Sofa nieder. »Ich habe dir noch gar nicht von dem Abendessen bei James erzählt!« Sie kicherte in Vorfreude auf ihre eigene Schilderung und nahm sich eine Zigarette. Ich holte die Sherryflasche, die ich für solche Überraschungsbesuche von Marie auf der Fensterbank stehen habe, und setzte mich ihr zu Füßen auf den Boden.
    »James hat mit absolut undurchdringlicher Miene mit Willem über Sigmund Freud und dessen Theorien über frühkindliche Erotik geredet. Willem war sehr beeindruckt von meinem Psychoanalytiker und hat gesagt, er sei ein kluger Mann. Er freut sich total für mich, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der mir zuhört und sich um mich kümmert. Wie findest du das?«
    Ich antwortete nicht, sondern reichte ihr nur ein Glas Sherry.
    »Ich könnte mich kaputtlachen!«, sagte Marie. Und dann küsste sie das Glas.
    Abends um zehn klopfte es an meine Mansardentür. Es war zu meiner großen freudigen Überraschung Willem. Er sah müde und abgearbeitet aus.
    Ich fragte, ob er schon was gegessen hätte. Müde verneinte er. Ich sprang auf und machte ihm sofort ein Steak mit Kräuterbutter. Er hatte wie üblich eine Flasche Wein dabei.
    »Kann ich dich mal sprechen?«, fragte Willem, als wir den Wein geköpft hatten und das Steak in der Pfanne brutzelte.
    »Aber immer!«, sagte ich jovial.
    »Es geht um Marie«, sagte Willem. Das war keine besonders große Überraschung.
    »Wir waren da gestern Abend bei so einem Doktor zum Essen eingeladen«, begann Willem und ich hockte mich auf die Sofakante, jederzeit bereit, aufzuspringen und ihm ein Taschentuch zu holen oder das Steak zu wenden.
    »Hat Marie dir von dem Mann erzählt?«
    »Sie hat ihn erwähnt.«
    Willem rutschte in seinem Sessel hin und her und begutachtete das Weinglas von allen Seiten. »Glaubst du, er bedeutet ihr was?«
    »Aber nein!«, rief ich aus. »Wie kommst du darauf!«
    »Sie hat sich ganz merkwürdig benommen, so hysterisch und aufgekratzt«, sagte Willem zu seinem Weinglas. »Ich kenne sie ja gut genug, um zu merken, dass sie etwas zu verbergen versuchte! Und du, Karla …«, und dabei sah er mich an, mit seinen großen, warmen blauen Augen, die um Hilfe flehten, »… du kennst sie doch auch! Karla, bitte sag

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