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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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fragte ich zum Schluss noch, ob ich auch einen Bekannten einladen dürfe. Wenn sie nein gesagt hätte, hätte ich alt ausgesehen, denn schließlich habe ich Ludger den Thiesbrummel ja schon eingeladen, sogar schriftlich, und seine Zusage ist schon zwei Wochen alt. Aber Marie freute sich und lächelte: »Hast du denn auch einen Verehrer?«
    »Na ja«, gab ich bescheiden zu und Marie fragte nicht mehr weiter nach.
    So verspricht die Karnevalsfete ja ziemlich nett zu werden. Wenn ich es recht überlege, haben wir überhaupt keine Frau eingeladen. Noch nicht mal zum Schein. Hoffentlich merkt das keiner.
    Marie hat mich angewiesen, beim Partyservice im KaDeWe ein Buffet zu bestellen. Frau Krotoschyin könne das nicht, sagte Marie, sie würde kein Verhältnis haben zu den westlichen Konsumansprüchen. Und mit hart gekochten Eiern und roter Kohlsuppe sei es in diesem Falle nicht getan. Marie war in Eile, sie musste noch zu Heyko Zurlinde, um die letzten modernen Pflicht- und Wahlstücke mit ihm durchzusprechen. Weil Frau Krotoschyin nach wie vor mit den Luftschlangen und den Luftballons beschäftigt ist – inzwischen ist sie in den oberen Räumen angekommen habe ich mir Maximilian geschnappt und bin mit ihm per U-Bahn zum KaDeWe gefahren. Telefonisch wollte Marie nichts bestellen, sie findet, dass man das Angebot erst mal sehen muss. So macht das Zurlindes Frau auch immer, und diesen Service vom KaDeWe hat Zurlindes Frau Marie empfohlen, da sie keine Ahnung davon hat, dass ihr Gatte selber davon kosten wird. Zurlindes Frau ist eine Dame von Welt, sagt Marie. Sie hat ständig Gäste internationalen Ranges, weil ihr Mann Heyko ja Mitglied in allen möglichen Ausschüssen und Gremien ist, von Wuppertal bis Korea. Deshalb greift sie schon aus schierer Notwendigkeit immer zu dem Partyservice, der kalte und warme Platten auf Silbertabletts auf die Minute pünktlich ins Haus bringt. Und sehr delikat zubereitet, wie Frau Zurlinde Marie telefonisch versicherte. Marie sagt, sie hätte sich wirklich amüsiert, als Frau Zurlinde so altklug mit ihr telefoniert hätte, und sie könnte ganz sicher sein, dass Eva Maria, so heißt Heykos Gattin, keine Ahnung von ihrem Verhältnis mit ihrem Mann hätte. Ich also bin tapfer und wild entschlossen mit dem dicken Bündel unter dem einen und dem zusammengeklappten Buggy unter dem anderen Arm die Treppen zur U-Bahn hinabgestiegen. Es war gerade Berufsverkehr und die grauen Menschenmassen drängelten sich auf den Bahnsteigen und auf den Rolltreppen. Keine leichte Sache, mit 22 Kilo Baby und 8 Kilo Buggy einen Weg da durch zu bahnen! Als ich dann endlich die richtige Bahn erwischt hatte, war sie viel zu voll, als dass ich mich hineingetraut hätte. Außerdem gab es keinen Moment, in dem ich eine Fahrkarte hätte lösen können, denn für so einen Automaten braucht man zwei Hände, Kleingeld und zur Stoßzeit auch noch zwei Ellenbogen. Ich hatte also den wilden Entschluss gefasst, schwarzzufahren, aber nun ließ man mich gar nicht! Mein Arm wurde lahm und ich musste Maximilian auf den schmutzigen Bahnsteig setzen, wo er sofort wild entschlossen zu robben anfing und den Gleisen gefährlich nahe kam. Zum Buggyaufklappen brauche ich nur fünfzehn Sekunden, aber zwei Arme, von denen keiner lahm und taub wie ein Staubwedel an mir herunterhängt. Ich war also völlig hilflos dem Gutdünken eines älteren Herrn ausgeliefert, der mir den Buggy aufstellte mit den Worten: »Da hat sich Mutti wohl übernommen, was?« Ich raste hinter Maximilian her, der gerade in einer Bierpfütze herumhantierte, und schleifte ihn kraftlos zu dem Buggy, in den ich ihn mit letzter Kraft hineinwuchtete. Der ältere Herr half mir noch beim Festbinden des um sich schlagenden und wütend schreienden Maximilians und sagte kopfschüttelnd: »So’n fetten Brumma kannste doch nich inne U-Bahn schleppen, Mädchen!«
    Ich murmelte, dass mir als allein erziehender Sozialhilfeempfängerin gar nichts anderes übrig bliebe, und da half er mir auch noch beim Einsteigen und verscheuchte zwei junge Türken, die sich auf dem Mutter-mit-Kind-Sitz lümmelten. Es gebe wirklich genügend charakterfeste Männer, merkte er noch witzig-sein-wollend an, die Frauen nicht sitzen lassen. In der U-Bahn.
    Das Aussteigen war einfacher, weil die entgegenkommenden Einsteiger gezwungen waren, sich selbst den Weg frei zu schaffen und deshalb schon die Hände nach dem Buggy ausstreckten. Größtes Problem war dann noch die Treppe von 166 Stufen wieder ans

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