Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
Vom Netzwerk:
brüllte er los und zwang Yassir und mich, den ganzen Wagen zu entladen und alle Kisten und Säcke zu öffnen. Ich staunte, wie viel in einen alten Daimler hineinpasste. Als wir endlich fertig waren, kippten die Soldaten den Inhalt auf den Boden. Vor uns türmte sich kubikmeterweise Weihnachtskitsch auf. Das Jesuskind aus originalem Bethlehemer Olivenholz, das der Herr dermaleinst noch selbst berührt hatte, lag auf dem Grenzstreifen zwischen Israel und Palästina im Staub. Yassir und ich konnten uns ein Grinsen nicht verkneifen, als wir die enttäuschten Gesichter sahen.
    Das Grinsen werde uns noch vergehen, brüllte der Anführer.
    Er hatte Recht. Yassir und ich benötigten über zwei Stunden, um Christkind, Maria und Joseph, Ochs und Esel wieder einzusammeln. Dann bekamen wir unsere Pässe zurück und durften weiterfahren. Yassir sprach den Rest der Fahrt keinen Ton.
    Dafür redete er umso mehr, als wir gegen Mitternacht Abu Shabans Laden erreichten. Als es ihm endlich gelungen war, das ganze Haus aufzuwecken, zog er alle Register seiner Erzählkunst. Er jammerte und fluchte, lachte und weinte, rief Gott und mich als Zeugen für seine Wahrhaftigkeit herbei.
    »Wie war es wirklich?«, fragte mich Fatma, als er sich erschöpft zurücklehnte und in seinem Tee rührte. »Ich habe zwar kein Wort verstanden«, feixte ich, »aber ich denke, es wird sich so zugetragen haben.« Ich solle nicht alle schlechten Eigenschaften dieser nichtsnutzigen Prahlhänse übernehmen, mahnte sie mich und ergriff meine Hand.
    »Warst du schon mal auf den Hirtenfeldern?«
    »Die sind doch mindestens fünf Kilometer entfernt«, stammelte ich.
    »Ja und? Wir fahren mit dem Moped meines Bruders.«
    »Mitten in der Nacht?« Ich glaubte, den Boden unter meinen Füßen zu verlieren.
    »Du wirst sehen. Bei Vollmond ist es dort besonders romantisch.«
    Fatma ließ sich von ihrem widerspenstigen Bruder den Mopedschlüssel aushändigen und unter Abu Shabans und Yassirs wohlwollenden Blicken verließen wir den Raum.
     
    29
     
    »Du musst endlich bei Abu Shaban um ihre Hand anhalten«, bestürmte mich Yassir, als wir im Morgengrauen nach Jerusalem zurückzuckelten. »Du hast jetzt schon die zweite Nacht mit ihr verbracht!«
    »Hör auf zu spinnen!«
    »Hör auf zu spinnen!«, äffte er mich nach. »Ich spinne nicht! Ich habe mit ihm geredet. Er hat nichts dagegen, wenn du sein Schwiegersohn wirst.«
    »Und wie stellt ihr euch das vor?«
    »Was?«
    »Ich bin Deutscher und Fatma ist Araberin. Wir kommen aus zwei völlig unterschiedlichen Kulturen.«
    »Warum siehst du immer Probleme, wo es keine gibt?«
    »Probleme, wo es keine gibt? Es gibt einen ganzen Haufen Probleme! Ihr verfluchten Araber wollt sie nur nicht sehen, die Probleme.«
    »Dann nenn sie mir, die Probleme, die ich verfluchter Araber nicht sehe!«
    »Erstens: Wo sollen wir leben? Fatma liebt ihre Heimat und würde nie nach Deutschland ziehen.«
    »Wo ist das Problem? Du bleibst in Israel. Du hast Freunde bei den Juden und bei uns. Dir gefällt das Land, du liebst die Sonne, dir schmeckt unsere Küche. Was verlangst du noch?«
    »Zweitens: Wovon soll ich leben?«
    »Du suchst dir eine Arbeit. So wie alle anderen Männer auch. Du lernst unsere Sprachen und wirst Touristenführer.
    Oder Portier in einem Hotel. Oder schreibst für eine Zeitung in Deutschland. Oder du schreibst einen Roman über Juden und Araber!«
    »Drittens …« Ich verstummte. Gegen Yassirs Argumente konnte ich nicht viel einwenden.
    »Du schweigst? Schau, ist Fatma Jüdin? Nein! Ist sie Mohammedanerin? Nein! Was ist sie? Sie ist Christin! Sie hat zwei Jahre im Ausland studiert! Sie hört nicht auf ihren Vater und nicht auf ihre Brüder. Sie macht, was sie will. Also was ist sie?« Ich schwieg.
    »Sie ist Europäerin. So wie du Europäer bist!«
    »Aber …«
    »Nichts aber! Denk an Umm Suitanas Prophezeiung! Bald wirst du einen Sohn bekommen! Von Fatma, der Perle Palästinas!«
    »Hör bitte endlich auf! Du nervst mich!«
    »Abu Shaban fährt für ein paar Tage auf Geschäftsreise nach Jordanien. Am Freitag kehrt er zurück. Ich habe mit ihm gesprochen. Ich schwöre es bei Gott und meiner Großmutter. Er ist bereit, dich am Freitagabend zu empfangen. Aber lass ihn nicht warten! Sonst hast du seine Gunst verspielt. So eine Gelegenheit bietet sich nur einmal im Leben. Hast du verstanden? Freitagabend um sieben warte ich vor dem Damaskustor auf dich. Ich chaufnere dich zu Abu Shaban. Ich will Zeuge sein, wenn du um die Hand

Weitere Kostenlose Bücher