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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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ihr und hinter ihr ist alles hell. Nur sie selbst wirft stets einen Schatten.«
    » Amen.«
    »Was schließen wir daraus?«
    »Pech im Spiel, Glück in der Liebe.« Ich fuhr noch am selben Abend nach Merklinghausen. Als ich am nächsten Mittag erwachte, entdeckte ich ein Päckchen auf meinem Schreibtisch. Es war mehrfach verschnürt und für seine Größe erstaunlich schwer. Als ich keinen Absender fand, überlegte ich, wer mir wohl eine Weihnachtsfreude machen könnte. Mir fiel aber niemand ein. Mühsam darauf bedacht nichts zu beschädigen, öffnete ich das Päckchen. Dann hielt ich ein Buch in der Hand, das in einen Lederumschlag eingebunden war. Ich schlug es auf: Die Hebräische Bibel!
    Sofort erkannte ich, wie wertvoll sie war. Die Buchstaben waren kunstvoll gezeichnet, die Seiten hatten einen Goldrand. Ich blätterte wahllos herum, wanderte durch das Gesetz, die Propheten, die Schriften, las die ersten Worte der Genesis »bereschit bara elohim haschamajim weet haarez«, die ich zu Beginn meines Studiums einmal auswendig lernen musste, und nahm mir vor, meine Hebräischkenntnisse aufzufrischen, die nur noch bruchstückhaft vorhanden waren. Vielleicht könnte ich ja bei Pfarrerin Nolte-Merkel Nachhilfeunterricht nehmen.
    Ich war auf der ersten Seite angelangt, die mit einer Fülle handschriftlicher Eintragungen voll geschrieben war. Kein Zweifel, ich hatte die Familienbibel der Karlebachs in der Hand!
    Ich musste mich setzen. Was hatte Opa Bernhard mit den Karlebachs zu tun? Wie kam er an diese wertvolle Bibel? Warum hatte er mir nie davon erzählt? Ich versuchte die Eintragungen zu entziffern. Einige waren in Deutsch, einige in Jiddisch, andere in, so schien es mir, Holländisch. Manche waren unleserlich, manche in einer gestochen klaren Handschrift. Der älteste Eintrag stammte aus dem Jahr 5576, das war nach christlicher Zeitrechnung etwa 1815. Die Karlebachs waren viel herumgereist. Ursprünglich stammten sie wohl aus Galizien, denn von dort waren die frühesten Einträge. Spätere waren in Wien und in Amsterdam verfasst, der letzte im November 1938 in Merklinghausen. Er trug die Unterschrift eines Herschel Karlebach, der zuvor schon die Einweihung der Synagoge in der Stadt zum jüdischen Neujahrsfest 1921 vermerkt hatte. Ich blätterte die Seite um und traute meinen Augen nicht. »Lieber Bernhard«, las ich dort, »zu deinem 50. Geburtstag überreiche ich dir unsere Familienbibel. Ich bin der letzte Überlebende unserer Familie. Mit mir stirbt sie endgültig aus. Du hast mir das Leben gerettet, dafür danke ich dir. Schlomo Karlebach, New York, 10. Mai 1959.« Schlomo Karlebach war der geheimnisvolle Überlebende! Und Opa Bernhard hatte ihm das Leben gerettet! Aber wann und wie? Ich überlegte, wer mir darüber etwas erzählen konnte. Onkel Alfred? Aber der wusste ja nur, was er von seiner Schwägerin gehört hatte. Wer von den Älteren aus unserem Dorf würde sein Schweigen brechen? Ich drehte die Bibel in meinen Händen und nahm den Ledereinband ab. Da fiel mir ein Briefumschlag entgegen. Er war an Opa Bernhard adressiert und stammte von Karlebach, abgeschickt in Sidney, Australien, am 15. November 1973. Auf das Kuvert hatte Opa Bernhard eine 22 gemalt. Ich öffnete den Umschlag, in ihm steckte eine Ansichtskarte. Auf die Rückseite hatte Karlebach ein paar Adventsgrüße geschrieben, sich herzlich für irgendwelche Informationen bedankt und sein baldiges Kommen angekündigt. Wenn Opa Bernhard den Brief nummeriert hatte, musste es also mindestens noch einundzwanzig weitere geben. Aber wo waren sie? Ich schaute auf meinen Wecker. Um drei Uhr wollte ich mich mit Deborah an Opa Bernhards Grab treffen. Ich lockte Axel aus seiner Hütte und wir schlugen den Weg zum Friedhof ein.
    »He, kannst du nicht lesen!«, empfing mich der Totengräber Oleander, als ich das Gelände betrat. »Kannst du es denn?«, fragte ich zurück. »Wird bloß nicht frech!«, drohte er. »Hunde haben auf meinem Friedhof keinen Zutritt!«
    »Axel ist doch kein Hund, Oleander«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Was denn?«
    »Ein Genie!«
    Oleander schüttelte den Kopf und wollte böse werden.
    »Nimm«, sagte ich und schenkte ihm eines der drei Fläschchen Magenbitter, die mir der Hadeswirt als Trostpreis für den größten Verlierer überreicht hatte.
    Oleanders Miene hellte sich schlagartig auf. Er trank das Fläschchen in einem Zug.
    »Was machst du eigentlich hier?«, fragte ich.
    »Arbeiten. Muss für morgen noch ein Grab ausheben. Die

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