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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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Gesichter der Heiligs. Miriam schaute arglos wie immer, Deborah biss sich auf die Lippen, Mutter Heilig bekam rote Flecken am Hals, Vater Heilig hatte ein Pokerface aufgesetzt.
    »Was denn für ein Jude?« Vater Heilig stocherte in seinem Teller.
    »Schlomo Karlebach hieß er.« Mehr wollte ich nicht preisgeben.
    »Karlebach?« Vater Heilig stocherte noch immer. »Lebt der noch? Wo soll der denn wohnen?«
    »In Tel Aviv«, bluffte ich.
    »In Israel?!« Vater Heilig verschluckte sich. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. »Ich weiß nichts davon. Du Mutti?«
    Mutter Heilig schüttelte den Kopf.
    »Aber ich hab den Namen schon mal gehört.«
    Zwei vernichtende Blicke trafen Miriam. »Wo?«, fragte ich.
    Miriam wollte etwas sagen, aber Vater Heilig fuhr ihr über den Mund.
    »Doch«, beharrte sie trotzig, »ihr habt doch selber davon erzählt.«
    »Du musst dich irren, Liebes!«, sagte Mutter Heilig. »Nein, ich habe doch selber einen Brief in der Hand gehabt. Und gelesen.«
    Vater Heilig legte seine Kuchengabel aus der Hand und richtete sich auf. »Du irrst dich. Du hast keinen Brief gelesen.«
    »Doch, habe ich.«
    »Du sollst deinem Vater nicht widersprechen!«
    »Woher kam denn der Brief?«, fragte ich rasch. »Aus Japan.«
    »Aus Japan?«
    Vater Heilig holte mit seiner Hand aus, da fiel ihm Mutter Heilig in den Arm. »Ich weiß, was unser Liebes meint«, sagte sie lächelnd. »Sie meint die Kardebachs, unsere Missionare in Japan.«
    Die Spannung löste sich. Vater Heilig ließ seinen Arm wieder sinken. »Ja, so ist es«, sagte er erleichtert. »Wenn ihr zufällig noch etwas findet«, sagte ich dann, »könntet ihr mir Bescheid sagen?« Ich erhob mich von meinem Stuhl.
    »Das tun wir gerne«, betonte Mutter Heilig. »Wir haben ja auch noch nicht alle Sachen von Opa Bernhard geordnet. Komm doch bald wieder!«
    »Gerne«, sagte ich, »es ist doch richtig gemütlich bei euch.« Etwa auf halber Strecke zu meinem Wagen hörte ich Deborahs Stimme. Ich wartete auf sie.
    »Wo hast du nur deine Gedanken?« fragte sie und küsste mich.
    »Wieso?«
    »Weil du wieder was vergessen hast!« Sie wedelte mit meinem Schal. »Oh, danke.«
    »Ich komme noch mit zum Auto.« Sie hängte sich bei mir ein und rutschte an meiner Seite die Straße hinunter. »Ich bin richtig glücklich«, sagte sie. »Warum denn das?«, fragte ich.
    Deborah schaute mich verlangend an. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals.
    »Deborah«, sagte ich nach einem Kuss. »Deine Eltern haben die Briefe von Karlebach.«
    »Bist du sicher?« Sie zog enttäuscht ihre Arme zurück. »Ja!«, sagte ich. »Auf mein Gefühl kann ich mich verlassen.« Ich streichelte ihre Wange und wischte eine Schneeflocke von ihrer Nase.
    »Und jetzt möchtest du, dass ich danach suche?«, fragte sie.
    »Das kann ich doch nicht verlangen.«
    »Ich mach’s«, sagte Deborah.
    Ich setzte mich in meinen Florian, drehte das Radio auf und schlitterte in die Dunkelheit.
    Die Geburtstagsfeier von Simona Zorbas erreichte ich, als sie schon vorbei war. Ich hatte für die zwanzig Kilometer in die Stadt über vier Stunden gebraucht. »Welch eine Überraschung«, empfing mich Simona, »der Herr Journalist!«
    Ich überreichte ihr eine große Geschenkpackung Pralinen und einen weiteren Weihnachtsstern vom Gabentisch meiner Eltern. Eigentlich wollte ich ihr einen Wangenkuss geben, aber ich traute mich nicht.
    Simona sah phantastisch aus. Sie trug einen roten Minirock, schwarze Strümpfe und einen schwarzen Body, unter dem sich ihre runden Brüste abzeichneten. Darüber eine dünne schwarze Lederjacke. Ihr Haar, das sie etwas abgeschnitten hatte, schimmerte kastanienbraun. »Du kommst ein wenig spät«, sagte sie. »Die Gäste sind schon fort.«
    »Eine Verkettung unglücklicher Umstände«, entschuldigte ich mich. »Das Wetter. Es war spiegelglatt.« Dass ich zu tanken vergessen hatte und fünf Kilometer zur nächsten Tankstelle laufen musste, erwähnte ich lieber nicht. Wenn ich jedoch geahnt hätte, was ich in den kommenden Tagen mit Simona erleben sollte … »Und wo hast du deinen Bruder gelassen?«
    »Der liegt flach«, sagte ich und versuchte, einen schadenfrohen Unterton zu vermeiden. »Den hat die Grippewelle erwischt. Über neununddreißig Fieber. Aber ich soll dir herzliche Grüße ausrichten.«
    Wir gingen in ihre Wohnung. »Nicht schlecht, Frau Specht«, sagte ich anerkennend. »Du hast Geschmack!«
    »Danke«, sagte Simona. »Mein Cousin ist Innenarchitekt. Der hat mir die Wohnung

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