Karlebachs Vermaechtnis
machen?
Kurz bevor ich endgültig im Selbstmitleid versank, schlurfte ich zurück ins Zimmer. Simona hatte inzwischen ein paar Kerzen angezündet und eine CD mit esoterischer Schmusemusik aufgelegt.
»Ich hab’s mir überlegt«, sagte ich, »ich fahre doch nach Hause.«
»Warum?« fragte Simona mit unergründlichem Gesicht. »Äh …« Mir fiel nichts ein.
Simona reichte mir eine Zigarette und ich ärgerte mich, weil ich wieder Zugriff. »Bist du eigentlich mit dem Alexis Zorbas verwandt?«, fragte ich, um die Stille zu überbrücken. Zu spät fiel mir ein, dass Alexis Zorbas nur eine Romanfigur war.
Simona lachte. »Alexis Zorbas ist doch nur eine Romanfigur. Und außerdem ist er Kreter. »Woher stammst du?«
»Mein Vater kommt von einer griechischen Insel, meine Mutter ist Deutsche. Ich bin aber schon hier geboren.« Der Champagner und das ungewohnte Nikotin stiegen mir zu Kopf, fch wollte mir aber keine Ausfallerscheinungen leisten. »Von welcher Insel stammt denn dein Vater?«
»Kennst du sowieso nicht.«
»Ich kenne fast alle griechischen Inseln«, prahlte ich. »Er ist von Lipsi.«
»Klar«, prahlte ich weiter, »kenne ich.«
»So?«, fragte Simona spitz. »Wo liegt denn Lipsi?«
»Gegenüber von Agathonissi, bei Patmos und Samos. Auf der anderen Seite die Türkei.« Ich hatte Simona verblüfft. »Sonne, Wind und Meer, was will ich mehr«, begann ich zu dichten und schwärmte von Ouzo und Retsina, vom süßen Samos wein, von Gyros, Souvlaki und Kalamares. »Hast du in Griechenland auch noch etwas anderes getan als gegessen und getrunken?«, stoppte Simona meinen Redeschwall.
»Ja«, sagte ich, »in der Sonne gelegen, gebadet, Moped gefahren.« Simona grinste.
»Nur eines habe ich nie geschafft«, fuhr ich fort. »Was denn?«
»Ein griechisches Mädel zu küssen.« Der Champagner hatte mir endgültig die Sinne benebelt.
»Wenn du dich mit einer Halbgriechin zufrieden gibst …« Simona fraß mich mit ihren dunklen Augen auf.
»Eine Halbgöttin küssen?« Ich klammerte mich an mein Champagnerglas.
»Was bist du denn so schüchtern?« Sie nahm mir das Glas aus der Hand.
Simona Zorbas küsste viel sachlicher und routinierter als Deborah, dafür weniger feucht. Mir wurde schwummerig, alles drehte sich.
»Was ist mit dir?«, fragte Simona besorgt. »Das ist zu viel für mich«, jammerte ich, »mein Kreislauf.« Ich wankte ins Designerbad und ließ mir kaltes Wasser übers Gesicht laufen.
»Möchtest du mit mir duschen?«, hauchte Simona und zog sich langsam aus.
»Ich muss ins Bett«, stöhnte ich.
Simona nahm mich an die Hand und führte mich in ihr Schlafzimmer. Ich sah noch schwarze Seidenbettwäsche, dann wurde es dunkel um mich.
»He, du Schlaffi!«
Ich blickte in zwei braune Kulleraugen, dann sah ich ein durchsichtiges Neglige. Eine schöne Frau reichte mir einen Telefonhörer. »Ein Anruf. Für dich.« Ich versuchte mich zu orientieren und richtete mich auf. »Wo bin ich?«, fragte ich die Frau. Sie rollte ihre Augen und lachte. »Komm zu dir und geh endlich ans Telefon!«
»Ja, hallo«, stöhnte ich in den Hörer. »Hast wohl eine wilde Nacht hinter dir?«, krächzte eine heisere Stimme. Ich erkannte meinen Bruder und kam langsam zu mir.
»Ich weiß es noch nicht«, sagte ich, »muss mal recherchieren.«
Simona verließ schmunzelnd das Schlafzimmer.
»Da hat einer von der Zeitung angerufen. Helmut oder so ähnlich. Er wollte wissen, wo du bleibst«, sagte mein Bruder hustend.
Ich schaute auf den Wecker. »Mist«, fluchte ich, »schon halb elfi«
»Keine Panik«, beruhigte mich mein Bruder. »Ich hab ihm gesagt, der Schneepflug hatte Verspätung und du bist jetzt unterwegs.«
»Danke«, sagte ich.
»Macht zwei Bier. Übrigens …«, fiel meinem Bruder noch ein, »die Deborah hat angerufen. Du sollst dich unbedingt bei ihr melden.«
Simona hatte sich inzwischen Leggins und Pullover angezogen. »Geh erst mal duschen«, sagte sie. »Im Bad liegen Handtücher und eine Zahnbürste.«
Ich schleppte mich unter die Dusche und hoffte einen klaren Kopf zu bekommen. Was ist passiert heut nacht? fragte ich das Gesicht im Spiegel, doch es blieb mir eine Antwort schuldig.
»Möchtest du ein Ei zum Frühstück?«, rief Simona. »Ich will gar nichts«, rief ich zurück. Simona trat ins Bad und musterte mich mit ausdruckslosem Gesicht, während ich mich abtrocknete. »Ich hab total verpennt«, sagte ich und zog mir schnell meine Unterhose über. »Keine Zeit zum
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