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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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mich mit einer Fülle von Fragen. »Bitte, Mutter, verschon mich mit deinen Fragen«. »Deine Mutter hat ein Recht zu erfahren, wo du dich rumtreibst«, wies mich mein Vater zurecht. »Ich bin bald dreißig«, nölte ich.
    »Du lebst immer noch auf unsere Kosten. Vergiss das nicht«, mahnte mein Vater.
    »Wir machen uns doch nur Sorgen um dich«. Meine Mutter fing fast an zu heulen.
    »Jetzt fang bloß nicht an zu flennen«, brummte ich. »Wer weiß, in welchen Kreisen du verkehrst. Du bist nächtelang unterwegs. Kommst manchmal gar nicht nach Hause. Und die ganzen Weihnachtstage hast du dich nicht um uns gekümmert!« Jetzt heulte sie wirklich. »Ich hab keinen Hunger«, sagte ich und schob mein Brötchen beiseite.
    Mein Bruder kam zur Tür herein, setzte sich an den Frühstückstisch und biss in mein Brötchen. »Hat dir die Frau Zorbas etwa den Kopf verdreht?«, krächzte er feixend. »Oder ist es die heilige Deborah?«
    Als meine Mutter wissen wollte, ob ich etwa eine Freundin habe, hielt ich es nicht mehr aus und fuhr in die Redaktion. Ich musste wissen, ob die Heiligs mich erkannt hatte und rief vom Büro aus bei ihnen an. Mutter Heilig war am Apparat.
    »Wir haben eine ganz schreckliche Nacht hinter uns«, klagte sie.
    »Was ist denn passiert?« wollte ich wissen.
    »Ein Einbrecher! Bei uns! Ist das nicht furchtbar?« Mutter Heilig flennte los.
    »Was hat er denn gestohlen?«
    »Gar nichts. Aber er hat unsere Deborah angegriffen!«
    »Das ist ja fürchterlich!«, heuchelte ich Entsetzen. »Wie geht es ihr denn?«
    »Schon wieder besser. Er hat ihr ins Gesicht geschlagen.«
    »Nein, das ist ja schrecklich! War die Polizei da? Habt ihr den Einbrecher erwischt?«
    Mutter Heilig hatte sich wieder gefasst. »Wir haben ihn gesehen. Aber er ist uns entwischt. Die Polizei hat Spuren aufgenommen.«
    »Habt ihr den Einbrecher erkannt?«
    »Es war ein Mann. Mehr wissen wir nicht.«
    »Die Polizei? Hat sie was gefunden?« Ich kaute nervös an meinem Bleistift.
    »Ein Feuerzeug, das er wohl vergessen hat. Wir besitzen ja so etwas nicht.«
    Das Feuerzeug! Ich Obertrottel! Ich hatte es kurz auf ein Regal gelegt, weil ich mir den Finger verbrannt hatte, und dann vergessen.
    »War es denn ein besonderes Feuerzeug?«, fragte ich. »Die Polizei hat nichts festgestellt.« Ich atmete auf und verabschiedete mich. »Weshalb hast du denn überhaupt angerufen?«, fragte Mutter Heilig.
    »Ach ja …« Fieberhaft suchte ich nach einem Grund. »Ich wollte eigentlich nur fragen, äh, ob ich, ob ihr, äh, der Lehnstuhl von Opa Bernhard, ob ich den vielleicht haben kann. Weil ich mein Zimmer in Tübingen umräumen will.« Ich war schweißgebadet.
    »Das muss ich mit Vater besprechen«, sagte Mutter Heilig. Sie schien keinen Verdacht geschöpft zu haben. »Wir sagen dir dann Bescheid.«
    Ich legte auf und schluckte eine Baldrianpille.
    »Was ist denn heute mit dir los?«, fragte Helmut. »Du bist ja völlig durch den Wind!«
    »Das ist eine längere Geschichte«, sagte ich.
    »Dann lass uns was trinken!« Helmut bat die Volontärin, seine Seite fertig zu stellen. »Den Jahresrückblick kriegen wir schon noch hin«, munterte er mich auf.
    Wir zogen uns in der Kantine, die vormittags nur wenig besucht war, einen Kaffee.
    »Schieß los«, nuschelte Helmut, während er sich eine Pfeife ansteckte.
    »Es geht wieder um das Judenhaus«, begann ich, »das meiste habe ich dir ja schon gestern erzählt. Heute Nacht haben sich die Ereignisse dann überstürzt.« Ich berichtete ihm von dem Geschehen in Heiligs Haus. »Sieh an, der Heilig.« Helmut schmunzelte. »Jetzt wird’s spannend.«
    »Kennst du ihn etwa?«
    »Und ob! Ich war sein Schüler. Er hat mir Nachhilfe erteilt. In Mathe und Physik. Er hat ein paar Jahre vor mir sein Abitur gebaut. Ich glaube, es war in dem Jahr, als Deutschland Weltmeister wurde. 1954.«
    »Heilig hat Abitur? Der stapelt doch schon seit Jahrzehnten auf der Behörde Akten.«
    Helmut lachte. »Aber er ist Sektenchef. Auch keine schlechte Karriere.« Er kratzte sich in seinem Bart. Ich rührte in meinem Kaffee. »Heilig war mir nie sympathisch. Man konnte ihn nie packen. Er hat sich gewunden wie ein Aal. In der Schule hatte er nie eine eigene Meinung. Er war immer bei denen, die das Sagen hatten. Aber er hielt sich geschickt im Hintergrund. Ein typischer Mitläufer. Immer auf dem Sprung, die Seite zu wechseln und sich einer neuen Macht unterzuordnen. Gemocht hat ihn niemand. Kurz vor dem Abitur ist er in die Sekte

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