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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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Vergnügen.«
    »Na gut«, seufzte sie und ließ ihre Bluse offen. Ich küsste sie flüchtig und versuchte, nicht auf ihre Brüste zu achten, die von einem weißen Spitzen-BH gehalten wurden. Ich stellte den Karton auf ein Tischchen und kniete mich davor. Opa Bernhard hatte Karlebachs Briefe chronologisch geordnet. Die ersten waren Ende der Vierzigerjahre in New York abgestempelt, dann kamen einige aus Los Angeles, dann aus Montreal, aus Argentinien, Brasilien, Chile, zwischendurch einer aus Jerusalem, dann Australien. 1974 brach der Briefwechsel mit der Nummer 25 ab. Ich überlegte, welchen Brief ich zuerst lesen sollte. »Ich habe noch einen gefunden«, unterbrach mich Deborah. »Der ist von diesem Jahr.« Sie drückte mir den Umschlag in die Hand. Abgestempelt in Jerusalem. Karlebach lebte also noch!
    »Deborah! Bist du im Keller?« Heiligs Fistelstimme wirkte wie ein Donnerschlag.
    »Oh, Schitt!«, stöhnte ich. »Was machen wir jetzt?« Deborah knöpfte sich die Bluse zu und schob mich gleichzeitig in ein Kämmerchen. »Deborah?« Die Fistelstimme wurde lauter. »Bleib hier drin«, flüsterte Deborah und versuchte die Tür zu schließen. Aber das Schloss klemmte.
    »Deborah?« Heilig stand plötzlich im Raum. »Was machst du hier?«
    »Nichts, Vati«, stammelte Deborah. »Nichts.«
    Ich hielt die Kammertür fest und wagte kaum zu atmen.
    Heilig pirschte durch den Raum.
    »Was hast du da in der Hand?«, hörte ich ihn sagen.
    Schweigen.
    »Ich möchte wissen, was du da in der Hand hast.« Heiligs Stimme wurde eisiger.
    Schweigen.
    Mir perlte der Schweiß auf der Stirn. »Deborah!«, drohte Heilig.
    Deborah schwieg immer noch. Dann schrie sie: »Nein, Vati, nein!« Ich hörte ein Klatschen und noch eins. Dieses Schwein, dachte ich wütend, er schlägt sie. Deborah begann zu weinen.
    »Du betrügst deine Eltern!«, zischte Heilig. »Wer hat dich dazu angestiftet?«
    Deborah weinte heftiger. Heilig schien sie am Arm zu packen und zu schütteln. »Was gehen dich diese Briefe an? Wer hat dir gesagt, dass du nach ihnen suchen sollst?« Deborah schluchzte. »Gib mir gefälligst eine Antwort!«
    »Niemand«, stammelte Deborah. »Du lügst!«
    Heilig schlug wieder zu. Deborah schrie auf. Dann wurde es gespenstisch still. Heilig schien den Raum zu untersuchen. Mir schnürte sich die Kehle zu. Ich rang nach Luft. »Du gehst jetzt ins Bett«, befahl Heilig. »Wir sprechen morgen weiter.«
    »Ja, Vati«, schluchzte Deborah. Sie verließ den Raum. Ich hörte Heilig noch ein wenig kramen, dann knipste er das Licht aus und verschwand.
    Mir tat inzwischen alles weh, aber ich wollte mich noch nicht aus meinem Versteck begeben. Ich wartete noch eine Ewigkeit, dann öffnete ich die Kammertür. Es war still. Außer dem leichten Wummern der Heizung und meinem schweren Atem war nichts zu hören. Ich tastete mich durch den finsteren Raum und hoffte, nicht mit meinen verkrampften Beinen über etwas Schepperndes zu stolpern. Wo war nur der Lichtschalter? Ich fühlte den Lehnstuhl und erinnerte mich, dass er sich ungefähr in der Mitte des Raumes befunden hatte. Jetzt noch drei Schritte. Aber in welche Richtung? Ich stieß mit dem Fuß gegen etwas Weiches. Ein Wäschesack. Also andere Richtung. Ich hangelte mich langsam vorwärts. Meinen Berechnungen zufolge müsste ich noch etwa einen Meter von der Eisentür entfernt sein. Ich streckte die Arme aus, aber fasste ins Leere. Ich drehte mich ein Stückchen zur Seite und knallte mit dem Kopf gegen einen harten Gegenstand. Es gab ein dumpfes Geräusch. Die Tür! Links daneben fand ich den Lichtschalter. Ich kniff die Augen zusammen, weil ich von dem Flimmern der Neonröhre geblendet wurde. Rasch eilte ich zu dem Tischchen, aber die Briefe waren weg. Heilig hatte sie mitgenommen. Ich hätte am liebsten laut geflucht, aber ich beherrschte mich und ließ mich in den Lehnstuhl fallen. Mit dem Ärmel meines Pullovers wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.
    »Du bist ein Feigling«, sagte eine innere Stimme zu mir. »Was hätte ich denn machen können?«, entgegnete eine zweite innere Stimme.
    »Du hast deine Freundin im Stich gelassen.«
    »Sie ist nicht meine Freundin.«
    »Du hast sie ausgenutzt.«
    »Sie hat mir alles freiwillig gezeigt.«
    »Du bist eine miese Ratte.«
    »Schluss jetzt«, sagte ich laut und gebot meinen inneren Stimmen zu schweigen. »Sagt mir lieber, wie ich hier wieder rausfinde.« Die beiden Stimmen wussten keine Antwort, also machte ich mich allein auf den Weg. Heilig

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