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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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den Oktober vor, dann sind wir bald fertig.« Als ich ein paar Unterlagen sortierte, stieß ich auf einen Zettel mit der Handschrift der Sekretärin. »Ich muss noch mal telefonieren«, sagte ich zu Helmut und begab mich in einen Nebenraum.
    »Der Herr Journalist«, meldete sich Simona, »du bist ja eine treulose Tomate.«
    »Nun übertreib mal nicht«, sagte ich, »der Stress. Ich hatte zu tun.«
    »Wie sieht es denn heute mit dem Abendessen aus? Letzte Chance für dieses Jahr.«
    »Gerne. Wenn du mir versprichst, keinen Schampus auszuschenken.«
    Simona lachte. »Ich habe extra für dich ein Pils gekauft.«
    »Aber ich kann sicher nicht vor neun,« sagte ich aufgeregt. Wenn Deborah sich einem Krankenpfleger in die Arme warf, konnte ich ohne schlechtes Gewissen Simona besuchen. Ich schlenderte in unser Büro zurück, an dem grinsenden Helmut vorbei, machte den Oktober, dann den November und schließlich den Dezember.
    »Morgen noch die Toten, dann haben wir es geschafft«, sagte Helmut und schaltete seinen Computer aus. Ich räkelte mich und freute mich auf den Feierabend. »Freust du dich auf den Feierabend?«, fragte Helmut. »Du bist der perfekte Journalist«, gähnte ich, »dir bleibt nichts verborgen.« Ich quälte mich aus dem Bürostuhl. »Ach so«, sagte Helmut, als er seine Pfeifentasche zusammenpackte, »fast hätte ich’s vergessen. Ich habe heute mit Stumpf telefoniert. Er kommt am zweiten wieder. Ich denke, ich sollte ihm die Geschichte von dem Judenhaus als Thema vorschlagen.«
    »Das wäre ein feiner Zug von dir«, sagte ich. »Stell doch mal alle Fakten zusammen, die du bis jetzt gesammelt hast, damit ich Stumpf genügend Material anbieten kann. Und treib’s nicht zu heftig«, mahnte er zum Abschied. »Ich brauch dich morgen.«
     
    Simona Zorbas sah wieder atemberaubend gut aus. Sie trug ein hautenges, dunkelblaues Minikleid, das vorne hochgeschlossen, am Rücken aber tief ausgeschnitten war. Ihre Haare hatte sie mit einer Silberspange zu einem Zopf gebunden. Vorsichtshalber, um meine Aufregung zu mildern, hatte ich ein paar Baldrianpillen eingeworfen und ich fühlte mich famos.
    »Das riecht ja lecker hier«, sagte ich anerkennend. »Was gibt’s denn?«
    »Lass dich überraschen«, sang Simona.
    Sie stellte eine Karaffe mit einer milchigen Flüssigkeit auf den Wohnzimmertisch und füllte mein Glas.
    »Jammas«, sagte sie.
    »Jammas«, erwiderte ich.
    Wir stießen an. Sie schaute mir durchdringend in die Augen.
    Diese Augen, dachte ich, die machen doch jeden schwach. Ich hielt ihrem Blick nicht stand, trank einen Schluck und lobte das edle Getränk.
    »Ouzo von meinem Großvater. Eigene Produktion«, sagte Simona.
    In der Küche klingelte ein Wecker. »Du bleibst sitzen, bis ich dich rufe!«, befahl sie.
    Ich gehorchte und blätterte in einer Frauenzeitschrift. Bei einem Artikel über den richtigen Zeitpunkt, ein Kind zu bekommen, blieb ich hängen. Ich beteiligte mich an dem Psychotest. Das Ergebnis war ernüchternd. Ich erhielt die niedrigste Punktzahl und galt als absolut unfähig zur Kindererziehung.
    »Wie viele Punkte hast du denn?«, fragte Simona. Sie musste mich schon eine Weile beobachtet haben. »Das verrate ich lieber nicht.«
    »Weniger als zwei?« Ich nickte.
    »Dann passen wir ja prima zusammen«, lachte sie, nahm mich bei der Hand und führte mich in die Küche. »Phantastisch!«, jubelte ich. Sie hatte einen Leuchter mit neun Kerzen aufgestellt, der den kleinen Raum in ein geheimnisvolles Licht tauchte. Im Hintergrund dudelte wieder esoterische Schmusemusik. Ich zwängte mich auf einen dieser unbequemen Designerstühle. »Ein Premium Pils für dich, einen Retsina für mich«, lachte Simona und schenkte ein. Dann trug sie das Essen auf. Wir begannen mit köstlichem Bauernsalat, Tsatsiki und Oliven, dann servierte sie eine mit einem Familiengeheimnis gefüllte Paprika, anschließend aßen wir zwei beziehungsweise vier deftig gewürzte Fleischspießchen, dazu Reis und gebratene Kartoffelscheiben. Bei der Nachspeise, einem in süßem Honig triefenden Gebäck, musste ich passen. »Ein Wunder«, schwärmte ich, »das ist ein Wunder!«
    »Was ist ein Wunder?« Simona blinkte mit ihren Augen. Ich nippte an meinem Sieben-Sterne-Metaxa. »In einer so winzigen Küche so toll und reichhaltig zu kochen - das ist ein Wunder!«
    Simona war geschmeichelt. »Danke«, hauchte sie. »Und jetzt machen wir es uns gemütlich.«
    Ich erhob mich ächzend von meinem Designerstuhl. Eine wohlige Müdigkeit

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