Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
Vom Netzwerk:
in Dingen, die dich nichts angehen.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie mir sagen wollen.«
    »Muss ich noch deutlicher werden?«
    »Ich bitte darum.«
    »Lass die Geschichte mit dem Judenhaus, dann hast du nichts zu befürchten!«
    »Moment mal«, sagte ich, »woher wissen Sie, dass ich wegen des Judenhauses recherchiere?«
    Knecht schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Aus der Lokalpost.«
    Für einen Kirchenfunktionär log er erstaunlich schlecht. »Der Artikel war nicht zu übersehen«, fuhr er fort. »Und, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, weit unter dem Niveau, das ich von der Lokalpost gewöhnt bin.« Knecht schwieg. Die Motte war auferstanden und kreiste um seinen roten Kopf. Als sie oberhalb des Bartansatzes zur Landung ansetzen wollte, schlug Knecht wieder zu. Diesmal warf er das Tier in den Papierkorb, ohne es zu zerkrümeln.
    »Sie wissen ja«, sagte ich in die gespannte Stille, »dass ich mich mein ganzes Studium mit der Theodizeefrage beschäftigt habe …«
    Knecht nickte eifrig. Er schien erleichtert, dass ich das Thema gewechselt hatte.
    »Ich würde das Theodizeeproblem gerne in meiner Examensarbeit behandeln.« Knecht nickte noch eifriger.
    »Und an einem konkreten Beispiel erläutern.«
    »So?« Mittlerweile kreisten zwei Motten um Knechts Kopf.
    »Ein konstruierter Fall natürlich.«
    Die Motten vertreibend stand Knecht auf und schritt zu einem der Bücherregale, die sein Arbeitszimmer ausfüllten. »Mal schauen, was ich zur Theodizeefrage habe …«
    »Sagen wir«, begann ich, »zwei Männer haben vor ungefähr zwanzig, fünfundzwanzig Jahren etwas Schreckliches getan und einen anderen Menschen geschädigt.« Knecht griff ein Buch aus dem Regal und schlug es auf. »Heute sind sie in Amt und Würden. Ihr Reichtum ist auf unrecht erworbenem Gut aufgebaut …« Ich beobachtete, wie Knecht aufgeregt in dem Buch blätterte. »Vielleicht ist einer sogar in der Kirche tätig …« Knecht ließ das Buch fallen.
    Ich tat so, als würde ich es nicht bemerken. »Wie kann Gott, der gütige und allmächtige Gott, so etwas zulassen?«
    »Diese Geschichte ist doch etwas zu banal für eine Examensarbeit, oder nicht?« Knecht verschanzte sich hinter seinem Schreibtisch. Die beiden Motten tanzten vor seiner Nase. »Nein. Es berührt etwas Grundsätzliches. Die Nazis haben sechs Millionen Juden umgebracht, die meisten sind dafür nie zur Rechenschaft gezogen worden. Und die Kirche hat bis auf wenige Ausnahmen mitgemacht oder die Augen verschlossen. Wenn jetzt zwei Leute, beide sind Christen, einen Juden schädigen und sich für ihre Tat nicht verantworten müssen - wo ist da der Unterschied? Gott, der angeblich Allmächtige, lässt das Böse in beiden Fällen gewähren. Wo bleibt seine Glaubwürdigkeit?«
    Knecht klatschte seine Hände zusammen und erwischte beide Motten. »Verfluchte Viecher!«, schimpfte er. »Wir haben schon alles versucht«, entschuldigte er sich, »aber sie lassen sich nicht ausrotten.«
    Täuschte ich mich, oder hatte ich gerade Heiligs Limousine vorbeifahren sehen? Ich tarnte mich hinter einer Litfaßsäule und beobachtete, wie der Wagen vor Knechts Haus stoppte. Ich hatte mich nicht geirrt. Heilig sprang heraus, läutete an der Tür und sprach gestenreich mit Knechts Frau. Wenig später stürzte Knecht aus dem Haus, zog sich auf dem Weg zur Limousine seinen Mantel über, dann brausten Knecht und Heilig mit hoher Geschwindigkeit davon. Was ging hier vor? Knecht und Heilig begegneten sich gewöhnlich nur auf offizieller Ebene, von Kirche zu Kirche sozusagen. Ich wusste nicht, dass sie engere Beziehungen pflegten. Ich verfluchte die Zerstörer meines Florian, denn ich hätte zu gerne gewusst, wo die beiden hinfuhren. Aber für eine Verfolgungsjagd wäre Florians Farbe sowieso zu auffällig gewesen, tröstete ich mich und ging zu Onkel Kurt, dessen Haus auf dem Heimweg lag. Ich wollte mir die Geschichte von dem Mahnmal erzählen lassen.
    Onkel Kurt verhielt sich seltsam. Er bat mich nicht einmal in seine Wohnung. Wenn ich etwas über die Diskussion zum Mahnmal wissen wolle, solle ich die alten Akten im Archiv des Gemeindeamts studieren.
    »Dort bin ich schon gewesen«, entgegnete ich, »das Archiv ist wegen Renovierung bis Ende Februar geschlossen.« Dann solle ich jemand aus dem Gemeinderat aufsuchen. »Die meisten sind tot. Zwei sind im Winterurlaub, drei sind weggezogen. Es bleiben nur Pietsch und du.«
    »Von mir hörst du kein Wort zum Judenhaus. Ich will in Frieden alt

Weitere Kostenlose Bücher