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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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fragte ich Helmut in der Kantine.
    »Ich bin seit über dreißig Jahren im Geschäft. Und ebenso lange kenne ich Stumpf. Wir haben gemeinsam in der Landeshauptstadt bei einer Nachrichtenagentur volontiert und gleichzeitig als Jungredakteure bei der Lokalpost begonnen. Das schweißt zusammen, denn zur gegebenen Zeit erinnert der eine den anderen an seine Leichen im Keller. Gestern habe ich sein Gedächtnis ein wenig aufgefrischt. Jetzt ist er wieder an der Reihe.«
    »Welche Leiche versteckt Stumpf?«
    »Es gehört zu unserer Abmachung, dass keiner die Leichen des anderen an die Öffentlichkeit zerrt. Aber so viel kann ich sagen, es ist keine Leiche der stinkenden Sorte.«
    »Weshalb ist Stumpf Chefredakteur geworden und nicht du?«
    »Wir sind beide nicht Mitglied einer Partei. Aber ich hatte nie einen Hehl daraus gemacht, weiter entfernt von der rechten Partei zu sein als er. Wie hoch ist der Scheck?«
    »Zweitausend. Ich bin der geborene Asket, da wird es für eine Weile reichen. Jetzt will ich mich nach einer günstigen Schiffspassage erkundigen.«
    »Schiffspassage?« Selten hatte mich Helmut so spöttisch und ungläubig angeschaut. »Der Herr wollen sich also mit scheintoten Rentnern auf dem Mittelmeer vergnügen? Oder wollen der Herr vielleicht mit einer Kreuzfahrt das Kap der guten Hoffnung umschiffen?«
    »Ich habe Flugangst.«
    »Bitte, wenn du mit deiner Geschichte bis zum St. Nimmerleinstag warten willst…« Helmut stieß mir wütend ein paar Rauchwolken ins Gesicht. »Ich lasse mir ein ärztliches Attest ausstellen.«
    »Zu spät. Du wirst fliegen. Montag früh um neun ab Frankfurt. Mit der El Al. Du musst drei Stunden vorher dort sein. Wegen der Sicherheitskontrolle.«
    Schweißperlen sammelten sich auf meiner Stirn, der Boden schwankte. »Das … das ist schon in drei Tagen.«
    »Meine Sekretärin ist fix. Der Flug ist bereits gebucht. Gesponsert vom Ressort Lokales.«
    »Aber meine Flugangst…« Verflucht, nahm mich denn niemand ernst?
    »Was hast du denn zu verlieren?«
    Es gab ihn wirklich, diesen berühmten Lebensfilm. In diesem Augenblick wurde er mir gezeigt. Im Zeitraffer eilten alle wichtigen Stationen auf dem Weg meiner irdischen Existenz an mir vorbei. Ich sah mich mit meiner Schultüte, sah mich beim Klassenspiel den entscheidenden Elfmeter verschießen, sah mich bei meinem ersten Kussversuch, sah … eine Rauchwolke, die in meinen Augen biss. »Ich werde nicht dafür bezahlt, deine Ängste zu therapieren. Such dir einen Platz in der Mitte des Fliegers, mit Sicht auf die Flügel, dann bist du der Erste, der das brennende Triebwerk entdeckt. Und jetzt hör mir zu …«
     
    15
     
    Es war ein herrlicher Wintertag, so mild, dass man in der Sonne die Jacke ausziehen konnte. Ich rechnete damit, Simona in ihrer Wohnung anzutreffen, denn sie hatte noch Urlaub.
    »Du könntest mich nach Hause fahren«, schlug ich Simona über die Türsprechanlage vor. »Willst du nicht hochkommen?«
    »Nein«, sagte ich, »Bei dem schönen Wetter würde ich dir lieber das Italienische Eck zeigen.«
    »Wo ist denn das?«
    »Ungefähr tausend Kilometer nördlich der Toskana.«
    »Gut. Ich muss mich noch schminken, dann bin ich bereit.«
    Eine halbe Stunde später kam Simona tatsächlich. Sie sah wie immer atemberaubend aus, schien aber übernächtigt zu sein. Wir küssten uns flüchtig.
    »Die Polizei war heute bei mir«, berichtete sie in ihrem Sportwagen, der wundersamerweise seine Macke über Nacht abgelegt hatte. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich nur das weiß, was in der Zeitung steht, eher noch weniger, denn deine Kollegin hat ja ziemlich gesponnen. Ich denke immer noch, dass es ein übler Silvesterscherz von Betrunkenen war.«
    »Und?«
    »Sie haben sich damit zufrieden gegeben.« Ich zündete ihr eine Zigarette an.
    »Warum bist du von der Party abgehauen?«, fragte sie dann, »du hast mich zum Gespött gemacht.«
    »Ich war nicht in der Stimmung, mir das Geschwätz über Dax-Indices, neue Lover und Abschreibungsmodelle im Osten anzuhören.«
    »Aber du hättest dich wenigstens anständig verabschieden können.«
    Wir erreichten Merklinghausen und stellten Simonas Sportwagen auf einem Wanderparkplatz am Ortsrand ab. Zuvor hatte ich Simona meinen Eltern als die geheimnisvolle Unbekannte am Telefon vorgestellt und Axel aus der Hütte gelockt. Mein Vater ließ sich zu einigen anerkennenden Blicken hinreißen.
    »Ist das schön hier!«, schwärmte Simona. »Die Schönheit lockt das Gesindel an«, sagte ich.

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