Karlebachs Vermaechtnis
Frau, die ich je getroffen habe«, schwärmte ich. »Vergiss sie!«
Ich nahm einen kräftigen Schluck, schüttelte mich und hielt Ahmed das leere Glas hin. Er goss es randvoll. »Vergiss sie«, sagte er noch einmal.
»Das kann ich nicht«, seufzte ich, »es ist zu spät!«
»Du musst!« Er schaute mich fast beschwörend an. »Hat sie mit dir geredet?«
»Nein. Leider, leider nein.«
»Hat sie dich eines Blickes gewürdigt?«
Ich musste wieder den Kopf schütteln.
»Also vergiss sie!«
»Und wenn ich sie vielleicht einmal einlade?«
»Ich warne dich. Tu das nicht! Fatma ist eine moderne arabische Frau. Die meisten anderen in ihrem Alter sind längst verheiratet und haben schon drei oder vier Kinder. Aber sie will sich ihren Mann selber aussuchen. Da lässt sie sich von keinem reinreden. Was glaubst du, wie verzweifelt ihre Eltern sind?«
Mein Glas war schon wieder leer.
»Sie merkt sofort, wenn jemand sie interessant findet. Und du hast sie sicher angeglotzt, bis dir die Augen aus dem Kopf gefallen sind.«
Ich raufte mir schuldbewusst die Haare. »Aber die Großmutter hat mir prophezeit, dass ich bald Vater werde. Dafür brauche ich eine Frau. Vielleicht ist es Fatma …?«
»Die Großmutter!«, schimpfte Ahmed. »Weißt du, was sie mir verheißen hat? Dass ich einmal sehr reich werde und als Geschäftsmann nach Amerika auswandere. Und was bin ich? Ein armer Schlucker mit einem Haufen unbezahlter Rechnungen. Tag und Nacht hänge ich in meinem Hotel herum und warte auf Gäste. Und warte und warte und warte. Du bist seit Wochen der Einzige.« Jetzt genehmigte sich Ahmed auch einen kräftigen Schluck. »Also hör auf den Rat eines armen, stinkenden Arabers und vergiss sie! Sonst ergeht es dir wie meinem Nachbarn, der sich wegen ihr das Leben nehmen wollte. Oder wie Mustapha, dem Koch. Er hat vier Wochen lang jeden Tag eine Flasche Arrak getrunken, bis er endlich vom Liebeskummer geheilt war. Was denkst du, wie viele Männer plötzlich krank wurden und einen Termin bei Doktor Naseer brauchten, nur um einen Blick von ihr zu erhaschen?«
»Ich fühle mich auch ziemlich krank«, murmelte ich. »Da hilft nur eine Radikalkur«, sagte Ahmed nachdrücklich. »Du trinkst so viel Arrak, bis es dir so schlecht geht, dass du nichts mehr siehst, nichts mehr hörst und nichts mehr fühlst!«
»So viel Arrak kann es gar nicht geben«, versuchte ich einzuwenden, doch Ahmed hatte mein Glas schon wieder gefüllt.
Nach drei Tagen fühlte ich mich endlich etwas besser. Mein Kopfweh war so weit verflogen, dass ich wieder einen ersten klaren Gedanken fassen konnte. Ich freute mich über ein Fax der Lokalpost, in dem mein anschaulicher und lebendiger Reisebericht über das Rote Meer überschwänglich gelobt wurde. Ich bildete mir sogar ein, Fatma vergessen zu haben, und spazierte zum Mittagessen in Mustapha’s Restaurant.
Mustapha fragte besorgt, ob es mir wieder besser gehe. Er habe schon gehört, dass ich mich in Fatma verliebt habe, und er könne nur unterstreichen, was mir Ahmed schon nahe gelegt hatte. »Und außerdem«, fügte er mit zusammengekniffenen Augen hinzu, »stell dir vor, sie nimmt dich! Dann hast du mindestens die Hälfte aller unverheirateten Männer in Palästina zum Feind! Willst du das riskieren?« Dieses Argument leuchtete mir ein und ich ließ mir Mustaphas Hähnchen schmecken. Was mich allerdings beunruhigte, war die nicht zu leugnende Tatsache, dass ich schon fast vier Wochen in Jerusalem weilte und immer noch nicht an Schlomo Karlebach herangekommen war. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich meine Zeit mit Nebensächlichkeiten wie Baden im Roten Meer, medizinisch verordneten Trinkgelagen und der Begierde nach einer unerreichbaren Frau sinnlos vertrödelte. Noch mehr beunruhigte mich, dass mein Geld allmählich zur Neige ging und ich mich angesichts der bisherigen Erfolglosigkeit meines Unternehmens nicht traute, bei der Lokalpost um weitere finanzielle Unterstützung anzufragen.
Während ich noch nachdachte, wie ich mir etwas Geld beschaffen könnte, betrat Yassir das Restaurant und setzte sich zu mir. Ahmed habe ihm erzählt, dass er mich hier finde, sagte er und erkundigte sich besorgt nach meinem Befinden.
Ich lud ihn zu einem Tee ein.
Eigentlich habe er mich fragen wollen, ob ich ihn morgen auf einer Tour begleite, begann er zögernd. »Aber …?«, fragte ich.
»Na ja …« Er kratzte sich seinen Stoppelbart. »Ahmed hat mir erzählt, dass du Fatma hast tanzen sehen.«
»Was hat das mit
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