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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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bekomme. Er schüttelte den Kopf und sah mich mitleidig an.
    »Wenn du nicht weißt, was du schreiben willst, sage ich es dir«, drängelte Fatma.
    Ich versuchte noch ein letztes Mal, ihr zu widersprechen, doch ihrem überschäumenden Temperament hatte ich nichts entgegenzusetzen. Also fügte ich mich und hämmerte ein brennendes Plädoyer für die Befreiung Palästinas in meinen Laptop. Der Chef des Propagandaministeriums hätte es nicht besser gekonnt. Zufrieden las sich Fatma den Text durch, während Yassir, der in der Zwischenzeit mindestens drei Cousins begrüßt und sieben Tees getrunken hatte, immer heftiger zum Aufbruch drängte.
    Es war bereits kurz vor elf, als der rechte Vorderreifen des Daimlers platzte und wir in einem Graben landeten. Unglücklicherweise hatte Yassir eine wenig befahrene Abkürzung gewählt. Als wir eine gute halbe Stunde vergeblich auf ein vorbeikommendes Fahrzeug gewartet hatten, machte er sich lauthals fluchend auf den Weg ins nächste Dorf. Fatma und ich blieben frierend im Wagen und schwiegen uns an. fch dachte an die Prophezeiung der Großmutter. Trotz der Kälte wurde mir siedend heiß.
     
    20
     
    »Du siehst schlecht aus«, begrüßte mich Lea am nächsten Morgen in ihrem Cafe. »Bist du krank?«
    »Ich war heute Nacht in eine Autopanne verwickelt und bin erst um sechs Uhr ins Bett. Wahrscheinlich habe ich mich erkältet«, sagte ich und bestellte einen Arrak. »Arrak am frühen Morgen? Bist du sicher?«
    »Ja, das ist die beste Medizin.«
    Lea servierte mir einen starken Kaffee und einen Vitaminsaft. »Das ist besser für dich«, sagte sie bestimmt. Und fragte dann: »Ist sie Jüdin oder Araberin?«
    »Verdammt«, polterte ich, »warum sieht mir sofort jeder an, wenn ich mal eine Frau etwas interessanter als andere Frauen finde?«
    »Jüdin oder Araberin?«
    »Araberin.«
    »Christin oder Muslimin?«
    »Christin.«
    »Wo liegt dann das Problem?«
    Lea erhob sich und rief etwas auf Hebräisch in Richtung Schlomo Karlebach, der soeben das Cafe betreten hatte. Karlebach lachte, schaute über mich hinweg in die Runde, nickte einer älteren Dame freundlich zu, legte sein Jackett über einen Stuhl und entfaltete seine Zeitung. Lea brachte ihm seinen Kaffee und die beiden tuschelten. Karlebach schien eine interessante Geschichte zu erzählen, denn Lea hing mit großen Augen an seinen Lippen. Als er geendet hatte, hörte sie nicht mehr auf zu lachen.
    Während ich die beiden beobachtete, fühlte ich mich unendlich überflüssig. Einsam. Meine Aktion, nach Jerusalem zu fahren, kam mir mit einem Mal lächerlich und sinnlos vor. Die Geschichte vom Judenhaus erschien mir banal. Und Karlebach? Er würde nie mit mir reden wollen. Und Fatma? Sie war ebenso unerreichbar. Was hatte ich noch in Israel zu suchen? Ich kippte Kaffee und Vitaminsaft hinunter und winkte Lea zum Zahlen.
    »Du solltest besser noch nicht gehen«, sagte sie beim Kassieren.
    »Hundert Schekel für einen vernünftigen Grund zu bleiben. Es hat doch alles keinen Sinn.«
    Lea hielt ihre Hand auf. »Die hundert Schekel gehören mir. Herr Karlebach möchte dich auf einen Kaffee einladen. Er erwartet dich an seinem Tisch.«
    An jedem anderen Tag wäre ich geplatzt vor Freude. Aber heute? Ich erinnerte mich an ein Weihnachtsfest, als ich statt des gewünschten roten ein blaues Fahrrad bekam. Gefreut hatte ich mich damals nicht. Ich schob Lea die hundert Schekel zu und schleppte mich zu Karlebachs Tisch. »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er und legte die Zeitung beiseite. »Was darf ich Ihnen bringen lassen?« Ich überlegte. »Einen Vitaminsaft, bitte.« Karlebach musterte mich. »Sie sehen heute nicht gut aus. Fehlt Ihnen was?«
    »Nein«, log ich und dachte an Fatma, »wir hatten heute Nacht eine Autopanne. Ich habe kein Auge zugetan.« Fatma hingegen hatte sich in meine Arme gekuschelt und war sofort eingeschlafen. Während ich fror, weil ich meine Jacke über sie gebreitet hatte und mich nicht zu bewegen traute. »Und Sie sind dennoch heute Morgen ins Cafe gekommen?«, holte mich Karlebach in die Wirklichkeit zurück. »Ja«, sagte ich einsilbig.
    »Ich habe Sie an den vergangenen Freitagen genau beobachtet.«
    »Sie haben mich beobachtet?«
    »Sie haben es nicht bemerkt. Aber ich habe jede Regung in Ihrem Gesicht registriert, habe auf jedes Wort von Ihnen gehört, jede Geste notiert.«
    Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und sah ihn spöttisch an.
    »Heute zum Beispiel«, sagte Karlebach, »würden Sie viel lieber mit

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