Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
vergessen. Auf die Hütte in Oberrad hatte die Polizei bestimmt auch ein Auge.
Er war wieder mal ohne eine feste Bleibe.
Also Tobias. Karlo hoffte, dass Sabine noch nicht zu Hause wäre. Vielleicht konnte er bei seinem neuen Freund unterkriechen. Wie er ihn einschätzte, würde er ihm ganz bestimmt helfen.
Noch einmal schaute er sich prüfend um, dann fiel er in leichten Trab. Nach fünf Minuten stand er vor Tobias’ Haustür und legte einen Finger auf die Klingel.
Nach einer halben Minute klingelte er erneut.
Die Stimme klang gequält.
„Wer ist denn da? Hallo?“
„Ich bins, Karlo. Bitte, Tobias, lass mich rein. Ich hab Probleme!“
„Sag mal, weißt du, wie spät es ist? Ich …“
„Bitte! Ich erklär es dir gleich. Tobias, schnell, nun mach schon!“
Ein ärgerliches Brummen war noch aus der Sprechanlage zu vernehmen und Karlo fühlte ungeduldig die Sekunden verstreichen. Endlich gab die Tür dem Druck von Karlos Schulter nach und öffnete sich mit einem schmatzenden Geräusch.
Im Dunkeln stieg er die Treppe hinauf. Im ersten Stock sah er den Lichtschein durch die leicht geöffnete Wohnungstür.
„Ist offen, komm rein.“
Karlo drückte sich in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Vor der Wohnzimmertür hüpfte Tobias ungelenk mit dem linken Bein auf der Stelle und versuchte, sein rechtes Bein in eine Hose zu stecken. Karlo verkniff sich das Lachen. Einen Augenblick später standen beide im Wohnzimmer. Tobias zog den Reißverschluss seiner Hose hoch und schaute Karlo an.
„Ein Bier?“
Karlo zögerte kurz, lehnte aber ab.
„Nein, danke, ist gut gemeint!“
Er vermutete, es wäre sicher besser, nüchtern zu bleiben.
„Wenn es nicht zu unverschämt ist, ein Kaffee wäre mir jetzt …“
„Schon gut, kommt gleich.“
Kaletzke verschwand in der Küche. Gute fünf Minuten später wärmte sich Karlo an der heißen Tasse die klammen Hände.
Er nippte vorsichtig von dem Aufguss und zuckte unmerklich zusammen. Himmel – wenn Tobias irgendwann Georg Gehring diesen Kaffee anbieten würde, könnte er sicher mit drei Jahren Dunkelhaft rechnen. Es schmeckte, als ob der übrig gebliebene Kaffee vom Morgen in der Mikrowelle wieder aufgewärmt worden wäre. Er nahm sich unter den gegebenen Umständen jedoch zusammen und ließ das bittere Gebräu tapfer in sich reinlaufen.
„Also, sag an. Was gibts? Mensch – du siehst ja völlig fertig aus. Erzähl endlich!“
„Ich weiß, dass das jetzt viel verlangt ist, Tobias. Aber ich habe keine Ahnung, wo ich hin soll. Ich muss erst ein paar Sachen klären, ich … ach Scheiße, hör zu, es ist folgendermaßen: Die Polizei ist hinter mir her.“
Karlo bemerkte, wie Tobias zusammenzuckte und die Augen aufriss. Er konnte diese Reaktion durchaus verstehen und versuchte abzuwiegeln.
„Ich hab nichts gemacht, ehrlich. Die denken aber, dass ich es war. Und ich muss sehen, dass ich rauskriege, was da wirklich passiert ist. Sonst buchten die mich ein. Und im Knast hilft mir sowieso keiner. Ja, und da wollte ich dich fragen, ob ich ein paar Tage bei dir unterkriechen kann. In meine Wohnung kann ich jetzt nicht.“
„Was hast du denn ausgefressen?“
Tobias bemerkte augenblicklich die Reaktion Karlos und korrigierte sich.
„Okay, ich meine, was sollst du denn gemacht haben?“
„Bleib jetzt bitte cool, Tobias, bitte! Ich hab wirklich nichts gemacht. Du musst mir das glauben.“
„Ja, ja, jetzt erzähl endlich. Also, was ist los?“
„Die behaupten, ich hätte eine Frau umgebracht. Die in der Wohnung unter mir, äh, gewohnt hat.“
Kaletzke wirkte aufrichtig schockiert.
„Mord? Karlo, also ehrlich, ich will mit solchen Dingen nichts zu tun haben. Schon wegen Sabine …“
Karlo hörte das Zittern in der Stimme seines Freundes.
„Aber du glaubst mir doch, oder?“, fragte er eindringlich. „Du denkst doch nicht, dass ich … Mensch, Tobias, ich brauche nur ein paar Tage. Ich krieg ganz bestimmt raus, was da passiert ist. Im Knast wären mir die Hände gebunden.“
Tobias war zu der großen hellen Wohnzimmerwand gegangen und hatte eine Klappe geöffnet. Er zog eine Flasche hervor und man vernahm ein leichtes Ploppen, als der Korkverschluss aus dem Hals gezogen wurde. Als er zurückkehrte, hielt er ein dickwandiges Glas mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit in der leicht zitternden Hand.
„Da brauch ich jetzt erst mal einen kräftigen Schluck drauf. Da“, er deutete auf die Couch an der anderen Wand, „du kannst heute Nacht auf dem
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