Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
verzog das Gesicht, als er an den Schreckenstrank dachte, den er kurz zuvor verkosten musste, riss sich aber zusammen.
„Kaffee? Ja klar, gerne“, beeilte er sich zu sagen. „Und danke noch mal!“
„Schon gut. Bis morgen.“
Kaletzke drehte sich und sein Blick streifte dabei erneut die Wohnwand. Als der silberfarbene Bilderrahmen in sein Blickfeld geriet, schien er für einen kleinen Moment in der Bewegung innezuhalten. Er ging zum Regal und Karlo dachte, Tobias wolle sich – Schärfe hin, Alkoholstärke her – doch noch schnell einen Gutenacht-Trunk holen. Karlo saß auf der Couch und zog seine Schuhe aus.
Als Karlo wieder aufschaute, war Kaletzke im Begriff, das Wohnzimmer zu verlassen. Er wirkte nun sehr erschöpft, hatte die Hand aber noch einmal zum Gruß gehoben, als er auf den Flur schlurfte.
„Schlaf gut!“, klang es rau in Karlos Ohren.
Karlo zog seinen Pullover und seine Jeans aus, streckte sich müde, gähnte und setzte sich wieder auf die Couch. Den Kopf in die Hände gestützt, schaute er gedankenverloren vor sich auf den Boden.
Sabines Bild, Sabines Decke!
Bevor er das Licht löschte, schaute Karlo noch einmal zum Regal hinüber. Er kniff überrascht die Augen zusammen.
Der silberne Bilderrahmen war verschwunden!
Freitag, 16. Oktober
12
Während des Frühstücks hatte eine betretene, fast peinliche Stimmung geherrscht. Karlo hatte sich gewundert, dass Tobias nicht versuchte, weitere Einzelheiten über die Geschehnisse herauszubekommen. Andererseits war er froh darüber, nicht weiter berichten zu müssen. Der Kaffee war wider Erwarten trinkbar gewesen, hatte jedoch nichts an der beklemmenden Atmosphäre zwischen den beiden Männern ändern können.
Karlos Bericht über seinen schweren Kater nach dem alkoholischen Exzess bei Toni hatte sich in der Schilderung seiner desolaten Befindlichkeit am anderen Morgen erschöpft. Was genau alles passiert war, nachdem er seine Wohnung verlassen hatte, behielt er für sich. Immerhin trug er schwere Zweifel mit sich herum, was seine Rolle bezüglich Monis Tod betraf.
Tobias war der Erste, der die Situation nicht mehr ertragen konnte.
„Ich sollte besser was einkaufen gehen, wenn du noch hierbleiben möchtest. Wir brauchen was zu essen.“
Tobias hatte sich während seiner Rede erhoben, stand im Flur und schlüpfte in seine Jacke.
„Irgendwelche besonderen Wünsche? Oder gibt es etwas, das du nicht magst?“
Karlo winkte ab.
„Ich esse eigentlich alles. Machs, wie du denkst. Ich bin Gast und richte mich ganz nach dir.“
Die Wohnungstür war hinter Tobias Kaletzke ins Schloss gefallen. Karlo hörte, wie sich die Schritte im Treppenhaus entfernten und goss sich den letzten Rest Kaffee ein, der in der Kanne verblieben war.
Er dachte noch einmal an die vergangene Nacht zurück und fühlte, wie seine Neugier wuchs. Je mehr er darüber grübelte, desto merkwürdiger kam ihm das Verschwinden des kleinen silbernen Rahmens vor. Gerne hätte er sich noch einmal Sabines Bild angesehen. Vielleicht lagen die beiden im Streit und Kaletzke wollte momentan nicht darüber reden. Er fragte sich unruhig, ob Tobias mitgekriegt hatte, dass das Bild nicht mehr wie vorher im Regal platziert war, nachdem er es sich angesehen hatte? Und Tobias es deshalb verschwinden ließ? Aber warum in aller Welt sollte er das tun? Einen rechten Sinn ergab das nicht. Möglicherweise war tatsächlich etwas zwischen den beiden vorgefallen. Tobias hatte in letzter Zeit nicht besonders glücklich gewirkt.
Karlo schüttete den lauwarmen Kaffeerest achtlos in sich hinein, verzog angewidert das Gesicht und erhob sich langsam. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. Wie war das gestern abgelaufen? Tobi war ins Schlafzimmer gegangen, nachdem Karlo das Bild zurückgestellt hatte. Als Karlo noch einmal danach geschaut hatte, war das Bild weg gewesen.
Karlo zögerte. Er konnte doch nicht die Wohnung seines Gastgebers durchwühlen, nur um seine Neugier zu befriedigen. Doch war es lediglich Neugier? Irgendetwas war da noch, das ihn beschäftigte. Zweifellos, die Frau auf dem Bild hatte ihm sehr gefallen, auf eine ganz eigene, besondere Art. Aber das war es nicht, nein. Das spürte er genau. Etwas Rätselhaftes, eine kleine Unwägbarkeit lag über der Existenz des kleinen Rähmchens und des darin enthaltenen Bildes.
So kam es Karlo Kölner in dem Moment vor, in dem er Tobias Kaletzkes winziges Schlafzimmer betrat.
In der Schublade des kleinen Nachtschränkchens hatte sich nichts gefunden,
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