Karlsson fliegt wieder
wollte nicht, dass Karlsson traurig war, und er begann, in seinen Sachen zu kramen. »Hier, meine Mundharmonika, möchtest du die haben?«
Karlsson riss die Mundharmonika an sich. »Ja, ein Musikinstrument hab ich mir schon immer gewünscht, o ja, danke, ich nehm dies hier — denn eine Bassgeige hast du wohl kaum?«
Er setzte die Mundharmonika an die Lippen und blies ein paar schauerliche Töne. Dann sah er Lillebror mit blitzenden Augen an.
»Hast du das gehört? Jetzt hab ich sofort eine Melodie gemacht. >Gespensterklage< heißt sie.«
Da sagte Lillebror, Klagelieder seien in diesem Hause genau richtig, weil hier alle krank seien, und er erzählte Karlsson vom Scharlach.
»Birger und Betty können einem wirklich Leid tun«, sagte Lillebror.
Aber Karlsson sagte, Scharlach, das störe keinen großen Geist, deswegen brauche man sich nicht zu sorgen. Im Übrigen sei es nur gut, wenn Birger und Betty im Krankenhaus lägen, da nun der große Spuk losgehen sollte.
Kaum hatte er das ausgesprochen, da zuckte Lillebror erschrocken zusammen. Er hörte Fräulein Bocks Schritte vor der Tür und wusste, sie konnte jeden Augenblick in sein Zimmer kommen. Karlsson begriff ebenfalls, dass jetzt Eile nötig war. Mit einem Plumps warf er sich auf den Fußboden und kullerte wie ein dickes Knäuel unter Lillebrors Bett. Lillebror setzte sich rasch auf den Bettrand und breitete seinen Bademantel über seine Knie und ließ ihn herunterhängen, um Karlsson so gut wie möglich damit zu verdecken.
Im selben Augenblick ging die Tür auf und Fräulein Bock kam mit Handfeger und Schaufel in der Hand herein.
»Ich will hier sauber machen«, sagte sie, »geh solange in die Küche!«
Lillebror erschrak dermaßen, dass ihm der Schweiß ausbrach. »Nee, das will ich nicht«, sagte er. »Ich muss hier sitzen und isoliert sein.«
Fräulein Bock guckte ihn ärgerlich an.
»Weißt du, was unter deinem Bett liegt?«, fragte sie.
Lillebror wurde rot. Hatte sie Karlsson wirklich schon entdeckt?
»Unter... unter meinem Bett, da liegt nichts«, stammelte er. »Denk mal an, da liegt wohl was«, sagte Fräulein Bock. »Da liegen lauter Staubflocken und die werde ich entfernen. Geh weg!«
Lillebror wurde ganz wild.
»Nein, ich muss hier sitzen und isoliert sein!«, schrie er.
Nun fing Fräulein Bock an brummelnd am anderen Ende des Zimmers auszufegen.
»Dann bleib du meinetwegen da sitzen, bis ich hier drüben fertig bin. Aber nachher bist du vielleicht so freundlich und isolierst dich in einer anderen Ecke, du eigensinniger Bengel.« Lillebror kaute an seinen Nägeln und überlegte. Oh, wie sollte das ausgehen?
Plötzlich fuhr er zusammen und fing an zu kichern. Karlsson hatte ihn in der Kniekehle gekitzelt und Lillebror war so kitzlig.
Fräulein Bock sah ihn streng an. »Ja ja, du lachst, du, und dabei liegen deine Mutter und deine Geschwister krank und müssen leiden. Es gibt Leute, die sich schnell trösten, scheint mir.«
Wieder fühlte Lillebror, wie Karlsson ihn in der Kniekehle kitzelte, und jetzt kicherte er so heftig, dass er beinahe vom Bett gefallen wäre.
»Darf man vielleicht erfahren, was so lustig ist?«, fragte Fräulein Bock säuerlich.
»Hihi«, sagte Lillebror, »mir fiel eben eine witzige Geschichte ein...« Er überlegte scharf, ob er nicht auf irgendeine Geschichte kommen könnte.
»Die von dem Stier, der ein Pferd jagte, und da kriegte das Pferd solche Angst, dass es auf einen Baum kletterte, haben Sie die schon gehört, Fräulein Bock?«
Diese Geschichte pflegte Birger zu erzählen, Lillebror hatte aber noch nie darüber gelacht, denn ihm tat das arme Pferd Leid, das auf einen Baum klettern musste.
Fräulein Bock lachte auch nicht. »Komm mir nicht mit solchen alten albernen Geschichten. Du weißt genau, dass Pferde nicht auf Bäume klettern können.«
»Nee, das können sie nicht«, sagte Lillebror, genau wie Birger immer sagte. »Aber ein wütender Stier war hinter ihm her. Was zum Teufel sollte es da machen?«
Birger hatte gesagt, man dürfe »zum Teufel« sagen, wenn man eine Geschichte erzählte, in der »zum Teufel« vorkam. Das fand Fräulein Bock aber nicht. Sie starrte mit Abscheu auf Lillebror.
»Da sitzt du und lachst und fluchst, während deine Mutter und deine Geschwister krank liegen und leiden. Ich muss schon sagen, ich wundere mich...«
Genau in diesem Augenblick wurde sie unterbrochen. Vom Bett her ertönte plötzlich die »Gespensterklage«, nur ein paar kurze, schneidende Töne, doch
Weitere Kostenlose Bücher