Karlsson fliegt wieder
besorgt. »O weh, Karlsson, wenn du jetzt Scharlachfieber bekommst!«
»Umm, umm«, sagte Karlsson, denn er hatte den Mund voller Apfelauflauf und es dauerte eine Weile, bis er sprechen konnte. »Scharlachfieber — ho! Wer einmal das schlimmste Weckenfieber der Welt gehabt hat ohne dabei draufzugehen, dem kann nichts was anhaben.«
»Das hat also auch nichts genützt«, sagte Fräulein Bock und seufzte.
Karlsson stopfte sich den letzten Fleischkloß in den Mund, dann leckte er sich die Finger ab und sagte:
»Die Essvorräte in diesem Hause sind zwar etwas mickrig, aber sonst fühl ich mich hier wohl. Ich werde mich daher wahrscheinlich auch hier isolieren.«
»Guter Moses«, sagte Fräulein Bock. Sie warf einen zornigen Blick auf Karlsson und auf das Tablett, das jetzt ganz leer war. »Wo du gewütet hast, da bleibt nicht viel übrig«, sagte sie. Karlsson erhob sich vom Bettrand. Er strich sich über den Bauch.
»Ich lass nie was stehen«, sagte er. »Außer dem Tisch. Der ist das Einzige, was ich stehen lasse.«
Darauf drehte er am Startknopf, der Motor begann zu brummen und Karlsson flog schwerfällig auf das offen stehende Fenster zu.
»Heißa hopsa«, schrie er, »nun müsst ihr euch eine Weile ohne mich behelfen, denn jetzt hab ich’s eilig!«
»Heißa hopsa, Karlsson«, sagte Lillebror. »Musst du wirklich schon gehen?«
»Schon?«, sagte Fräulein Bock grimmig.
»Ja, ich muss mich jetzt beeilen«, schrie Karlsson, »sonst komme ich zu spät zum Abendbrot nach Hause! Hoho!«
Und weg war er.
Stolze Jungfrau, sie fliegt und sie schwebt
A m nächsten Morgen schlief Lillebror lange. Er wachte auf, weil das Telefon klingelte, und er sauste in die Diele und nahm den Hörer ab. Es war Mama.
»Geliebtes Kind — ach, wie schrecklich!«
»Was denn?«, fragte Lillebror verschlafen.
»Was du alles in deinem Brief geschrieben hast. Ich bin wirklich sehr beunruhigt.«
»Weshalb denn?«, fragte Lillebror.
»Das kannst du dir doch denken«, sagte Mama. »Mein armes Kind! Aber ich komme morgen nach Hause.«
Lillebror wurde fröhlich und gleichzeitig hellwach. Wenn er auch nicht begriff, weshalb Mama ihn »ihr armes Kind« nannte.
Kaum hatte Lillebror den Hörer aufgelegt, da klingelte das Telefon von neuem. Es war Papa, der aus London anrief.
»Wie geht es dir?«, fragte Papa. »Sind Birger und Betty auch brav?«
»Das glaub ich nicht«, sagte Lillebror. »Aber ich weiß es gar nicht. Sie sind ja im Krankenhaus.«
Papa wurde unruhig, das merkte man. »Krankenhaus — was meinst du damit?«
Als Lillebror erklärte, was er meinte, sagte Papa genau das Gleiche wie Mama. »Armes Kind — ich komme morgen nach Hause.«
Dann war das Gespräch zu Ende. Aber gleich darauf klingelte es schon wieder. Diesmal war es Birger.
»Du kannst dem Hausbock und ihrem alten Onkel Doktor bestellen, dass sie von allem anderen was verstehen, aber vom Scharlachfieber bestimmt nichts. Betty und ich kommen morgen nach Hause.«
»Habt ihr denn kein Scharlachfieber?«, fragte Lillebror. »Denk bloß, haben wir nämlich nicht. Wir haben zu viel Kakao getrunken und Zimtwecken gegessen, sagt der Arzt hier. Von so etwas kann man Ausschlag kriegen, wenn man überempfindlich ist.«
»Also ein typischer Fall von Weckenfieber«, sagte Lillebror. Aber Birger hatte schon aufgelegt.
Als Lillebror sich angezogen hatte, ging er in die Küche um Fräulein Bock mitzuteilen, dass mit der Isolierung jetzt Schluss sei.
Sie hatte schon angefangen das Mittagessen zu kochen. Die ganze Küche roch stark nach Gewürzen.
»Von mir aus gern«, sagte Fräulein Bock, nachdem Lillebror ihr erzählt hatte, dass die ganze Familie nach Hause käme. »Es ist gut, dass ich hier aufhöre, bevor meine Nerven ganz kaputt sind.«
Sie rührte wild in einem Kochtopf, der auf dem Herd stand. Sie schmorte etwas darin in einer dicken Soße und die würzte sie kräftig mit Salz und Pfeffer und Curry.
»So«, sagte sie. »Sie muss tüchtig gesalzen und gepfeffert und gecurryt werden, dann wird sie gut.«
Dann warf sie einen unruhigen Blick auf Lillebror. »Du meinst doch hoffentlich nicht, dass dieser entsetzliche Karlsson heute wieder kommt? Es wäre zu schön, wenn meine letzten Stunden hier etwas friedlich verliefen.«
Bevor Lillebror noch antworten konnte, hörte man draußen vorm Fenster eine fröhliche Stimme, die aus vollem Halse sang:
»Du schaust, o lieber Sonnenschein,
durchs Fenster in mein Stübchen fein...«
Karlsson war am Fenstersims.
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