Karlsson vom Dach
Kaugummi?»
«Das ist das Vernünftigste, was du seit langer Zeit gesagt hast», meinte Lillebror.
Nach dem Essen ging er in sein Zimmer hinüber. Er hoffte von ganzem Herzen, daß Karlsson kommen möge. Lillebror mußte ja bald verreisen, und er wollte Karlsson vorher sooft wie möglich sehen.
Karlsson hatte das vielleicht gefühlt, denn er kam angeflogen, sobald Lillebror die Nase aus dem Fenster steckte.
«Hast du heute kein Fieber?» fragte Lillebror.
«Fieber — ich?» sagte Karlsson. «Ich hab’ nie Fieber gehabt. Das war nur Einbildung.»
«Hast du dir nur eingebildet, daß du Fieber hattest?» sagte Lillebror verdutzt.
«Nee, nee, aber ich hab’ dir eingebildet, daß ich doch welches hätte», sagte Karlsson und lachte vergnügt. «Der beste Streichemacher der Welt — rate, wer das ist!»
Karlsson verhielt sich nicht eine Sekunde still. Während er redete, wirbelte er die ganze Zeit im Zimmer herum und zupfte neugierig an allen Sachen, öffnete so viele Schränke und Kästen, wie er konnte, und untersuchte alles mit größter Sorgfalt.
«Nein, heute habe ich kein Fieber», sagte er. «Heute bin ich kolossal obenauf und zu einem kleinen Streich aufgelegt.»
Lillebror war auch zu einem kleinen Streich aufgelegt. Aber vor allen Dingen wollte er, daß Mama und Papa und Birger und Betty Karlsson sehen sollten, damit endlieh das Geschwätz aufhörte, daß es Karlsson nicht gäbe.
«Warte einen Augenblick», sagte er schnell. «Ich komme sofort zurück.»
Und dann stürzte er davon, ins Wohnzimmer hinüber. Birger und Betty waren gerade weggegangen, das war dumm, aber Mama und Papa saßen jedenfalls da, und Lillebror sagte voll Eifer:
«Mama und Papa, kommt doch mal mit in mein Zimmer rüber.»
Er wagte nicht, Karlsson zu erwähnen, es war besser, sie sahen ihn ohne vorherige Ankündigung.
«Willst du nicht lieber hierbleiben und bei uns sitzen?» fragte Mama. Aber Lillebror zerrte sie am Ärmel.
«Nein, ihr sollt mal zu mir rüberkommen und euch was ansehen.»
Nach einigem Drängen gingen sie beide mit, und Lillebror öffnete erfreut und glücklich die Tür zu seinem Zimmer. Jetzt endlich sollten sie ihn sehen!
Er hätte heulen können, so enttäuscht war er. Das Zimmer war leer — genau wie das erste Mal, als er Karlsson zeigen wollte.
«Was sollten wir uns denn ansehen?» fragte Papa.
«Ach, nichts Besonderes», murmelte Lillebror.
Zum Glück klingelte im selben Augenblick das Telefon, so daß Lillebror keine weiteren Erklärungen abzugeben brauchte. Papa ging hinaus, um sich zu melden. Und Mama hatte einen Topfkuchen im Ofen, nach dem sie sehen mußte. Lillebror blieb allein. Er setzte sich ans Fenster. Er war richtig wütend auf Karlsson und beschloß, ihm die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, wenn er angeflogen käme.
Aber es kam niemand angeflogen. Statt dessen ging die Tür zum Wandschrank auf, und Karlsson steckte sein vergnügtes Gesicht heraus.
Da war Lillebror verblüfft.
«Was in aller Welt hast du in meinem Wandschrank gemacht?» sagte er.
«Eier ausgebrütet - nein! Dagesessen und über meine Sünden nachgedacht — nein! Auf dem Bord gelegen und mich ausgeruht — ja», sagte Karlsson.
Lillebror vergaß ganz, daß er wütend war. Er freute sich nur, daß Karlsson doch wieder zum Vorschein gekommen war.
«Dieser Wandschrank ist prächtig zu brauchen, wenn man Versteck spielen will», sagte Karlsson. «Das tun wir, ja? Ich leg’ mich wieder auf das Bord, und du rätst, wo ich bin.»
Bevor Lillebror noch antworten konnte, war Karlsson im Wandschrank verschwunden, und Lillebror hörte, wie er sich abmühte, um auf das Bord zu kommen.
«Jetzt such!» schrie Karlsson.
Lillebror öffnete die Schranktür sperrangelweit und fand Karlsson ohne weitere Schwierigkeiten auf dem Bord.
«O pfui, bist du aber gemein!» schrie Karlsson. «Du kannst doch schließlich erst mal im Bett suchen und unterm Tisch und überall woanders. Ich spiel’ nicht mit, wenn du’s so machst. Pfui, wie bist du gemein!»
In dieser Sekunde läutete es an der Wohnungstür, und kurz darauf rief Mama vom Korridor her:
«Lillebror, Krister und Gunilla sind da.»
Mehr brauchte es nicht, um Karlsson wieder in gute Laune zu versetzen.
«Denen wollen wir einen Streich spielen», flüsterte er. «Mach die Tür hinter mir zu.»
Lillebror schloß die Schranktür, und kaum hatte er das getan, da kamen Gunilla und Krister. Sie wohnten in derselben Straße wie Lillebror und waren in derselben Klasse wie er.
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