Karma-Attacke (German Edition)
sofort an, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt!»
Schwester Inge nickte und steckte das Handy ein. Dabei stieß sie gegen den überquellenden Aschenbecher. Zwei Stummel und ein paar Krümel Asche lösten sich und regneten herunter.
11
Professor Ullrich brauchte mehr als einen Schluck Wasser, um sich abzuregen. Sabrina wartete vor der Toilette. Er ließ den Wasserstrahl in seine Handflächen plätschern und schlürfte daraus. Am liebsten hätte er sich vor die Toilette gekniet und den Kopf hineingehalten, um Wasser aufzunehmen wie ein wildes Tier. Er hielt sich zurück, registrierte den merkwürdigen Wunsch aber mit wissenschaftlichem Interesse.
Er wollte sich die Hände abtrocknen, doch der steife weiße Lappen, der aus dem Handtuchhalter hing, fühlte sich unangenehm an, irgendwie vergiftet. Seine Fingerkuppen reagierten schreckhaft auf die Berührung. Wahrscheinlich ist das Zeug mit zu scharfen Waschmitteln gereinigt worden, dachte er, und zugleich ahnte ein Teil von ihm, dass ihn das Tuch an einen Conga erinnerte, der im Winter aus seiner Höhle kroch.
Sabrina Schumann war hochgradig nervös. Sie spürte, dass gleich etwas ganz und gar schief laufen würde. Der Tag bewegte sich zielsicher auf eine Katastrophe zu.
Die Bedrohung wartete in Professor Ullrichs Büro. Die neue Geschäftsführerin hatte schulterlange blonde Haare, trug ein hellblaues Kostüm und hochhackige Pumps. So hatte Sabrina Schumann sich ihre schärfste Konkurrentin immer vorgestellt, Größe 38 und makellose Beine. Sie stand mit dem Rücken zur Tür und betrachtete Professor Ullrichs Fingerabdrücke an der Wand. Ein junger Mann Anfang dreißig mit Bürstenhaarschnitt und Stiernacken las ungeniert die Post, die offen auf dem Schreibtisch lag.
Die beiden sahen einander zum ersten Mal. Trotzdem hatte der Professor das Gefühl, den Mann schon ewig zu kennen. Eine lange, tiefe Feindschaft verband sie. Professor Ullrich wusste, dass der andere genauso empfand. Der junge Mann legte die Post wieder auf den Schreibtisch. Professor Ullrich taxierte ihn mit kritischem Blick. Nur mühsam wahrte der Mann die Fassung. Schließlich streckte er dem Professor die Hand hin.
«Rottmann. Ralf Rottmann. Allgemeinmediziner und Verhaltenstherapeut.»
Professor Ullrich hatte schon viele junge Ärzte kennen gelernt, doch nie hatte sich einer so eigenartig vorgestellt. Trotzdem war er erleichtert. Ein neuer Allgemeinmediziner störte ihn nicht, und mit seiner Verhaltenstherapie würde der Bursche hier nicht weit kommen. Er nahm die Hand, die sich ihm entgegenstreckte, nicht, sondern nutzte die Chance, um den jungen Schnösel zurechtzuweisen: «Ladies first», sagte er und wandte sich der neuen Chefin zu.
Sie hatte ein angenehmes Lächeln. Eine etwas zu strenge Nase, aber die vollen Lippen einer Frau, die es versteht zu genießen. Ihr Parfüm überlagerte alles. Es war hell im Raum, aber ihre Pupillen waren geweitet, als sei es dunkel. Der Professor kannte verschiedene Psychopharmaka, die das bewirkten, aber eigentlich sah sie nicht so aus, als brauche sie solche Mittel.
«Katrin Reb. Auf gute Zusammenarbeit. Ich habe Ihre Patientenarbeiten schon bewundert.» Sie zeigte auf die Kreaturen, die seinen Schreibtisch bevölkerten. «Die sind doch von Patienten?», fragte sie, unsicher geworden, nach, als der Professor eine leicht beleidigte Miene aufsetzte.
Er nickte.
Ralf Rottmann schob seine Hand demonstrativ in die Tasche. Als Sabrina Schumann eine Besichtigung der Kantine und der Sozialräume anbot, nickte er. Die Aussicht auf Kaffee und Kuchen reizte ihn. Da nahm Katrin Reb einen gekrümmten Embryo vom Tisch, aus dessen Mitte etwas Reptilienhaftes quoll. Sie wollte sich die Figur genau anschauen und hob sie auf Augenhöhe.
Mit einer ansatzlosen Bewegung grabschte Professor Ullrich danach. Sie sah ihn erschreckt an. Behutsam stellte er das Gebilde auf den Tisch zurück.
«Sie sollten sie besser nicht berühren», erklärte Sabrina Schumann mit flötender Stimme und fügte lächelnd hinzu: «Das ist so etwas wie ein Sakrileg.»
«Entschuldigung. Ich konnte ja nicht wissen …»
«Die Figuren sind sehr wertvoll. Für mich. Erinnerungsstücke an äußerst erfolgreich verlaufene Therapien.»
Sabrina Schumann lud erneut zur Kantinenbesichtigung ein, Professor Ullrich schaute auf die Uhr.
«Machen wir es kurz. Meine Zeit ist knapp. Wir sind unterbesetzt, und die Patienten brauchen mich. Sie haben ein Recht darauf, dass ich mich um ihre Psyche kümmere
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