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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Schwarze traf. Das Blitzlicht irritierte sie kurz. Die Welt um sie her begann zu trudeln. Sie wollte sich noch nicht losreißen. Nicht zurück in die Klinik. Sie wollte das Leben nicht länger an sich vorüberziehen lassen, sondern endlich daran teilhaben.
    Tom schenkte das Foto Vivien. Julia schimpfte, wenn das so sei, dann könne er sie mal. Er nahm Vivien das Foto noch einmal ab, kritzelte etwas hintendrauf und gab es ihr zurück. Julia war jetzt ganz weiß im Gesicht.
    Der Mann hinter der Schießbude wollte drei Euro von Tom, doch der hatte nur ein Euro zwanzig. Das sei typisch, lästerte Julia. Ihr schuldete der Typ noch fast vierhundert.
    «Das Geld können Sie in den Wind schreiben. Der nimmt nur. Der gibt nie was zurück», fauchte sie.
    Der Mann knallte sein Gewehr auf die Theke und drohte, er werde Tom beide Arme brechen, wenn er nicht sofort …
    Schwester Inge bezahlte. Damit beherrschte sie kurz die Situation. Sie schleppte Vivien und Julia zum Twingo und platzierte beide auf dem Rücksitz. Die Mädchen redeten nicht miteinander.
    Vivien betrachtete das Foto. Nur Toms rechtes Auge war offen, das linke fest zugekniffen. Der Blitz spiegelte sich im Auge, und doch bildete sie sich ein, melancholisches Braun zu sehen. Das fast bläulich schwarze Haar schien zu schreien: Versuch nur, mich zu kämmen! Ich bin nicht zu bändigen. Die Hakennase, fand Vivien, strahlte die Entschlossenheit eines Helden aus, der nichts mehr zu verlieren hatte.
    Das Foto war ein Beweis. Sie würde es auf gar keinen Fall hergeben. In der Klinik brauchte sie solche Wirklichkeitsbeweise. Wie sollte sie sonst wissen, was wirklich geschehen war und was nur in ihrer Vorstellung? Von einem Hillruc hatte sie noch nie ein Foto besessen. Und im Moment glaubte sie nicht an die Existenz von Hillrucs und Congas. Lieber wollte sie an die große Liebe glauben, wie sie sie aus dem Fernsehen kannte. Wenn es Männer wie Tom Götte gab, dann musste es auch die große Liebe geben, meinte sie hoffnungsvoll. Nicht nur Mord, Angst und Irresein.

13
    Bleich vor unterdrückter Wut betrat Professor Ullrich Viviens Zimmer, die zitternden Hände in den Hosentaschen versteckt. Der ganze Mann schien innerlich zu vibrieren. Er ging auf und ab, dann um Vivien herum, als müsse er nachsehen, ob an ihr noch alles dran sei. Sie hoffte nur, dass nicht ihre Achterbahnfahrt ihn so in Rage gebracht hatte.
    Mit der Linken rollte Ullrich das Knetgummi in seiner Tasche zu einer Kugel, mit der Rechten drückte er einen Ballen zu einem Pfannkuchen platt. Schließlich zog er beide Knetgummistücke aus den Taschen und pappte sie zu einem Klumpen zusammen. Seine Finger drückten sich hinein und formten einen Kopf mit Augen, Nase und geschwungenem Mund.
    Vivien saß auf dem Bettrand, ließ die Beine baumeln und sah dem Professor stumm zu. Das Weiß seines Hemdes kam ihr sehr grell vor. Sein Kopf gefiel ihr. Die Hakennase erinnerte sie an Tom, und seine silbernen Haare konnten früher einmal genauso tiefschwarz gewesen sein. Sanft legte er die Daumen auf die Augen der Knetfigur, als wollte er sie vorsichtig zudrücken, doch dann quetschte er die Daumen tief in den Kopf - bis hinein ins Gehirn. Das Knetgummi machte ein schmatzendes Geräusch.
    Schwer atmend fetzte Professor Ullrich den Kopf in zwei Teile. Einen steckte er ein, den anderen drückte er zu einem Klumpen. Während der ganzen Zeit hatte er das Knetgummi nicht ein einziges Mal angesehen, sondern nur Vivien fixiert. Sie starrte auf seine Hände. Erst jetzt, da ihr Blick von seinem Arm über die Schulter und den Hals hinauf zu seinem Gesicht wanderte, begann er zu sprechen.
    «Du darfst mit niemandem reden. Hörst du?»
    Fragend verzog sie ihren Mund.
    Hastig fuhr er fort, als müsse er in wenigen Sekunden alles gesagt haben. «Es gibt neue Ärzte hier, verstehst du? Die haben kein Recht, dich zu behandeln. Du bist meine Patientin. Meine. Die haben keine Ahnung, was wir beide erlebt haben, meine kleine Prinzessin.»
    Vivien wusste nicht, wo er die andere Hälfte von dem Knetgummi gelassen hatte. In der Hand hielt er es nicht mehr. Seine Finger strichen langsam über ihr Gesicht, wobei er sie kaum berührte. Trotzdem kribbelte es irgendwie elektrisch. Magisch. Die Finger hinterließen Wärmespuren auf ihrer Haut, die wie kleine Bäche zu fließen schienen. Immer noch registrierte sie sein leichtes Zittern, das von innen kam.
    Er streichelte ihre Wimpern und schloss mit kaum merklichem Druck ihre Augen. Dort, wo seine

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