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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Schauer über den Rücken. Etwas am Blick dieses Mädchens brachte ihn an den Rand eines Abgrunds. Ihre Stimme machte ihm Angst. Was sie sagte, hörte sich wahnsinnig an, und zugleich klang es überzeugend, als handele es sich um eine Realität, die wahrer war als die Wirklichkeit.
    Das Frühstück kam an diesem Morgen spät, aber es kam. Dana weigerte sich kategorisch, die Schwester mit dem Tablett auch nur in ihr Zimmer zu lassen. Sie werde nichts essen, verkündete sie fast triumphierend, sie sei doch nicht verrückt.

16
    Professor Ullrich wusste, dass er seine Hände nicht mehr lange würde unter Kontrolle halten können. Es reichte nicht, das Knetgummi zu zerfetzen und wieder zusammenzupappen. Gern hätte er die leere Colaflasche vom Tisch genommen, aber er war nicht sicher, ob sie dem Druck seiner Hände standhalten würde. Seine Rechte bearbeitete in der Tasche das Knetgummi, die Linke krabbelte seine Brust hoch wie ein Insekt, verfing sich in den Haaren und krabbelte wieder nach unten.
    Eilig zog er sich in sein Büro zurück und schloss die Tür hinter sich. Am liebsten hätte er seinen Händen zugesehen, wie sie aus einem Kilo Ton eine Figur formten, und dabei seine ganze Konzentration auf seinen Atem gerichtet. Aber das konnte er leider nicht. Er musste sich mit diesem Chaos befassen. Mit diesen Menschen, die sich so unglaublich wichtig nahmen. Die alles jetzt und hier sofort erledigen wollten, weil sie ihr Dasein auf der Erde für begrenzt hielten. Sie mussten in einem Leben alles schaffen und hatten doch in sich die Gewissheit, dass das nicht funktionieren konnte. Daher ihre Unzufriedenheit, ihr Gezanke, ihr Herumgewusele. Ach, wie er das alles hasste!
    Er stemmte beide Hände gegen die Raufasertapete. Das tat gut. Seine Finger spürten tief hinein in den Stein unter der Tapete. Dort musste ein Wasserrohr verlaufen, aus Kupfer. An einer Stelle fehlte die Isolierung. Er empfand den Oxydationsprozess wie eine Verätzung auf der eigenen Haut. Langsam schloss er die Augen und drückte, um sich zu beruhigen, auch noch die Stirn gegen die Wand. Neben ihm hingen die Bilder. Seine riesigen Fingerabdrücke. Er suchte nach Erinnerungen, die ihm Ruhe bringen würden, das hatte er in der Meditation gelernt. Die Erinnerung an eine Zeit, in der es ihm besser gegangen war, erleichterte ihm den Umgang mit den Tagesproblemen im Jetzt.
    Sein letzter Urlaub. Luzern. Die Vorfreude im Flieger nach Zürich. In der Hand einen mit Meersand gefüllten Luftballon. Er hatte ihn geknetet und in Gedanken die Wellen an den Strand schlagen hören. Irgendwann war der Luftballon geplatzt. Der Sand war zwischen die Sitze gerieselt, die Stewardess war gekommen …
    Nein, daran wollte er sich jetzt nicht erinnern. Er schlug mit der Stirn gegen die Wand, als könne er so einen Programmwechsel im Kopf bewirken.
    Dann endlich das Ziel. Der Schlachthof am Rande der Stadt. Eine Woche lang hatte er Schweine abgestochen und sie mit einer Säge in zwei Hälften geteilt. Er hatte im Akkord gearbeitet wie die anderen; dazu hatte er über seinen Walkman immer wieder die gleiche Kassette gehört.
    Ruhe breitete sich in ihm aus. Die Erinnerungen wirkten. Nicht denken, nicht reden müssen. Nur handeln. Den Händen zusehen, wie sie mechanisch ihre Arbeit verrichteten. Der Kontakt zum Tier. Das Töten. Sauber. Kurz. Präzise. Der süßliche Geruch von Blut. Er hatte sich immer nur mit den elementaren Dingen beschäftigen wollen. Leben und Tod. Er hatte die Schweine erlöst, sie würden in einer neuen, höheren Seinsform wiederkehren.
    Mechanisch rieb er die Stirn gegen die Raufasertapete. Farbpartikel blieben an seinem schwitzigen Haaransatz kleben.
    Nach einer Woche war er zu den Rindern gekommen, ein Fest für ihn. Darauf hatte er sich am meisten gefreut. Der Schichtleiter hätte ihn am liebsten dabehalten, auch ohne gültige Papiere. Aber er hatte gehen müssen, noch für ein paar Tage in die Berge, um sich ein bisschen Bräune zu holen, denn er konnte seinen Kollegen unmöglich erzählen, welchem Hobby er in den Ferien nachging.
    Er öffnete die Augen und blickte auf die schlecht verkantete Tapetennaht. Pfusch, dachte er ärgerlich, überall nur Pfusch. Sie führten aufgeblasene Reden, und ihre Hände pfuschten über die eigentliche Arbeit hinweg. Es war, als müsse er sich von der Wand losreißen, als seien Finger und Stirn daran festgeklebt. Als würde er mit dem Gebäude verschmelzen. Schließlich drückte er das rechte Knie gegen die Wand und

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