Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
fettreduzierten Joghurt. 200 Gramm, Kiwi-Stachelbeere. Das alles wollte aus ihr raus, sobald sie die Augen öffnete.
    Nun hörte sie eine unbekannte Stimme. Scharf, aber nicht unsympathisch. «Es tut mir Leid, Herr Professor. Ich verstehe Ihre Bedenken, aber ich muss sämtliche möglichen Zeugen befragen. Egal, ob psychisch krank oder nicht.»
    «Was glauben Sie, mit wie vielen Kranken wir es sonst so zu tun haben? Die wenigsten sitzen in der Psychiatrie; die meisten laufen frei rum. Einige gehen sogar erfolgreich ihrem Beruf nach, die verdienen in der Woche mehr als unsereiner im Monat. Neulich haben wir einen Rechtsanwalt hochgenommen, der hat in seiner Freizeit …» Die zweite Stimme war jünger. Aber zu zynisch und kumpelhaft, um sympathisch zu sein. Sie wurde von der ersten unterbrochen. Völlig klar, wer der Chef war.
    «Ja, danke, Wust. Das interessiert im Moment niemanden.»
    Marga hörte ein Brummen, das alle Stimmen aufsaugte. Sie versank wieder in Dunkelheit und Stille.
    Professor Ullrich war aufgeregt. Er verschluckte ganze Silben. Seine Lunge rasselte, als sei er asthmakrank. Schweigsam schaute er Kommissar Ackers an, als könne er in dessen Falten lesen wie in einem Buch.
    Joachim Ackers hatte ein vernarbtes Gesicht. Für Professor Ullrich war es das Schlachtfeld der Pubertätsauseinandersetzungen. Es erzählte von der bitteren Lust, mit der der Halbwüchsige sich die Pickel ausgedrückt und eine Narbe nach der anderen erzeugt hatte. So hatte er zwischen sich und der aufkeimenden Sexualität eine Hürde aufgebaut.
    Ackers fühlte sich unwohl unter dem stummen Blick. Er räusperte sich und war froh, als der Professor wieder sprach.
    «Bitte, Herr Kommissar, denken Sie doch mal nach. Was Sie hier vorhaben, ist streng genommen Körperverletzung. Sie haben ja keine Ahnung, welche traumatischen …»
    Entweder war Ackers nicht daran gewöhnt, Menschen ausreden zu lassen, oder er stand unter großem Zeitdruck. «Herr Professor. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Begleiten Sie mich einfach zu den Befragungen. Sie werden staunen. Ich sehe zwar nicht so aus, aber ich kann ein sehr sensibler Mensch sein. Lassen wir diese Zeugin hier ausschlafen, wir können sie später befragen. Fangen wir mit den anderen an.»

14
    Zum ersten Mal in ihrem Leben nahm Sabrina Schumann eine Tablette aus der Hand einer Schwester, ohne nachzufragen, was in dem Ding drin war. Im Moment war es ihr vollkommen schnuppe, ob ihre Nieren die Giftstoffe abbauen konnten. Im Augenblick interessierte sie nur, wie sie über die nächste Viertelstunde kam. Sie schluckte das Psychopharmakon mit lauwarmem Wasser, dabei standen in ihrem Kühlschrank Säfte und Mineralwasser. Sogar eine Flasche Champagner wartete im Fach auf eine besondere Gelegenheit. Doch sie nahm den Plastikbecher mit dem Leitungswasser, als wäre sie eine frisch eingelieferte Patientin und keineswegs die Verwaltungsdirektorin.
    Sie hatte den Toten identifiziert. Sie hatte schon viele Tote gesehen und noch mehr, die versucht hatten, sich umzubringen. Im letzten Jahr hatte kein Patient es geschafft. Aber zwei Kollegen. Eine Nachtschwester und ein Assistenzarzt. Aber was waren schon der Länge nach aufgeschnittene Pulsadern gegen das, was sie gerade gesehen hatte?

    Alle Insassen der Geschlossenen hatten es in der Ausnahmesituation geschafft, in den Flur zu gelangen und einmal aus dem Fenster zu gucken. Sogar Dana und Mikey Schröder, der eigentlich fixiert und ruhig gestellt in seinem Bett hätte liegen sollen, und natürlich Vivien. Sie alle hatten den zerfetzten Körper von Ralf Rottmann gesehen.
    Professor Ullrich drohte den Beamten mit Dienstaufsichtsbeschwerden und Anzeigen, falls die Leichenteile nicht augenblicklich entfernt würden, und kündigte dem Klinikpersonal an, dass dies alles noch Konsequenzen haben werde.
    Kommissar Ackers wollte das «magersüchtige Mädchen» sprechen, «das den Selbstmordversuch unternommen hat». Professor Ullrich ahnte den Trugschluss und stellte seufzend fest: «Der Suizidversuch war keine Reaktion auf das, was sie gesehen hat. Er muss zeitlich vor dem schrecklichen Verbrechen gelegen haben.»
    Wust nickte eifrig. Ackers merkte, dass er im Begriff war, in dem Chaos den Überblick zu verlieren. Er zog sich mit dem Professor und der Verwaltungsdirektorin in Ullrichs Büro zurück. Inzwischen war alles Personal in die Klinik gerufen worden. Urlaub, Krankheit, Schichtwechsel - das alles spielte keine Rolle mehr. Die Situation drohte außer

Weitere Kostenlose Bücher