Karma-Attacke (German Edition)
entspannten Eindruck. Als er Ackers eintreten sah, warf er wieder den Kopf zurück, wie ein Mensch, der noch gewohnt ist, lange Haare zu tragen, obwohl sie jetzt kurz geschnitten sind.
«Nun?», fragte er.
«Ich bin so weit.»
Ackers legte sich auf den Futon. «Falls ich einschlafe», scherzte er, «wecken Sie mich bitte. Ich muss morgen pünktlich um neun Uhr im Büro sein.»
«Keine Sorge», sagte der Professor lachend, «mein Dienst beginnt schon um sechs.»
Ackers zog noch schnell seine Schuhe aus. In der rechten Socke war ein kleines Loch. Er steckte die Füße unter die Decke. Dabei bemerkte er, wie kalt sie waren. Auch seine Hände waren kaum durchblutet. Dafür war es in seinem Magen umso heißer.
Professor Ullrich versicherte, er würde sich später zwar an alles erinnern, aber er schlage vor, trotzdem ein Tonband laufen zu lassen, damit man der eigenen Erinnerung besser vertrauen könnte. Ackers war einverstanden.
Während Ullrich das Tonband in der Nähe von Ackers’ Kopf aufbaute und einschaltete, bat er ihn, nun seinen Körper zu entspannen und zunächst ein paar Mal tief durchzuatmen. Ackers bebte innerlich vor Anspannung und Aufregung. Ein Teil von ihm fand das furchtbar lächerlich, ein anderer Teil war von dem, was nun geschehen sollte, fasziniert. Er ahnte, dass er sein Leben in die Zeit vor und die Zeit nach der Rückführung einteilen würde, so wie sein Vater das Leben in die Vorkriegs- und Nachkriegszeit eingeteilt hatte.
Professor Ullrich kniete hinter ihm. Ganz nah an seinem Kopf. Ullrich begann wieder mit seiner holotropen Atmung. Das machte es Ackers leicht, in den gleichen Rhythmus zu verfallen. Er fühlte einen wohltuenden Energiestrom, allerdings konnte von Entspannung überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil. Er wurde immer kribbeliger.
Nach einer Weile hatte er Mühe, diese Atmung beizubehalten. Sein Brustkorb schmerzte. Es war, als läge ein schwerer Stein auf seiner Brust. Er hatte das dringende Bedürfnis, jetzt tiefer zu atmen, doch Professor Ullrichs eindringliche Worte hinderten ihn.
«Jetzt nicht nachlassen. Die ersten fünf Minuten sind die schwersten. Danach geht es besser. Sie haben nichts zu befürchten. Sie haben die ganze Zeit alles vollständig in der Hand. Geben Sie sich jetzt die Chance. Mit der Atmung wird die Entspannung kommen.»
Dann schwieg Professor Ullrich, brachte seine Nase aber nah an Ackers Ohr und atmete jetzt noch schneller und heftiger als vorher.
Wenn der Professor dabei nicht ohnmächtig wird, dachte Ackers, werde ich es ja wohl auch schaffen. Das waren die letzten bewussten Gedanken. Dann gab es nur noch die Atmung, das Hecheln und die Stimme von Professor Ullrich.
Eine wohlige Wärme breitete sich in seinem Körper aus. Die Muskeln entspannten sich, und Ackers hatte das Gefühl, sich in einem Kokon aus Licht zu befinden. Er konnte das Licht einatmen, und mit jedem Atemzug fühlte er sich ruhiger und entspannter.
Professor Ullrich schlug ihm vor, jetzt wieder zu einer normalen Atmung überzugehen und ein paar Mal tief ein- und auszuatmen. Gleichzeitig kündigte er an, er werde nun rückwärts zählen, von fünf bis eins. Bei jeder Zahl werde Ackers in einen immer tieferen Entspannungszustand hinabgleiten.
«Wenn ich die Eins erreicht habe, werden Sie ganz tief entspannt sein. Frei von allen Sorgen und Nöten. Ihr Geist wird frei sein und sich über die normalen Begrenzungen von Zeit und Raum erheben. Sie werden sich dann an alles erinnern können, was jemals mit Ihnen geschehen ist.
Fünf …
Vier … Sie sinken tiefer und tiefer.
Drei … Gleich sind wir da.
Zwei …
Eins …»
Professor Ullrichs Stimme hatte ein magisches Ziehen. Sie nahm Ackers mühelos mit.
Ullrich war beeindruckt von der Ernsthaftigkeit, mit der Ackers versuchte, in ein früheres Leben hineinzukommen. Er hatte fast dreißig Minuten lang die Atmung durchgehalten. Wahrscheinlich war er schon nach der Hälfte der Zeit so weit gewesen. Doch Ullrich wollte sichergehen. Die meisten seiner Patienten ließ er nach der Atmung eine Treppe visualisieren, die sie dann langsam hinuntergingen, bis sie vor einem Tor waren, das sie in ein früheres Leben führen sollte. Bei Kommissar Ackers entschied er sich für den Fahrstuhl. So wie er Ackers einschätzte, würde der auch in einem realen Gebäude eher den Fahrstuhl benutzen als Treppen steigen.
«Sie sehen jetzt vor sich einen Fahrstuhl. Können Sie ihn sehen?»
Ackers schluckte, dann antwortete er mit belegter
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