Karma-Attacke (German Edition)
Schwimmbad. Gefällt es dir da nicht?»
«Doch. Aber ich nehme an, dass er wieder was vorhat.»
«Wer hat etwas vor?»
«Na, der Fuchs.»
«Der Ladenbesitzer?»
«Ja. Natürlich.»
«Ist der auch im Schwimmbad?»
«Ja. Er hat mich mitgenommen. Er hat mir auch den Badeanzug geschenkt. Wenn ich aus dem Wasser komme, klatscht er mir wieder mit der Hand auf den Körper.»
«Haut er dir auf den Hintern?»
«Ja.»
«Ist dir das unangenehm?»
«Ja. Ich will das nicht.»
«Dann sag’s ihm doch.»
Ackers stülpte die Lippen vor. Er machte einen Schmollmund. Es tat Professor Ullrich Leid, dass nur ein Tonband mitlief und keine Videokamera. So, davon war er überzeugt, hatte Ackers sich noch nie gesehen. Sein Gesicht war mädchenhaft, voller Scham und Furcht.
«Ich kann doch nichts dagegen machen. Wir müssen froh sein. Der Fuchs gibt uns Arbeit und Brot.» Ackers’ Zähne klapperten aufeinander.
«Was ist mit dir?»
«Ich kann nicht länger im Wasser bleiben. Ich friere. Mir ist so kalt.»
«Warum gehst du nicht raus?»
«Ich will nicht zu Fuchs. Er steht schon mit einem Handtuch da. Er will mich darin einwickeln. Er tut immer so … nett. Er will mich wieder trockenrubbeln. Dabei fasst er mich dann immer so an.»
«Weiß dein Vater davon? Oder deine Mutter? Hast du ihnen davon erzählt?»
«Ich hab Mama gesagt, dass …»
Ackers sprach nicht weiter. Er biss auf seinen Lippen herum.
«Was hat sie geantwortet?»
«Sie hat mir eine geknallt. Sie hat gesagt, ich darf das nie mehr sagen. Der Fuchs sei unser Gönner und außerdem im Kirchenvorstand und ich soll nicht so ein vorlautes Mundwerk haben und ich würde uns noch alle ins Unglück stürzen. Ich bin an allem selber schuld. Ich.»
Tränen lösten sich aus Ackers’ geschlossenen Augen. Ullrich überlegte, ob er nicht doch seinen Fotoapparat holen sollte. Aber er hatte Angst, die Sitzung zu unterbrechen. Er wollte Ackers jetzt nicht allein lassen.
«Woran bist du schuld? Warum bist du schuld?»
«Er hat gesagt, er kann nichts dafür. Es ist, weil ich so verführerisch bin. Wie die Sünde selbst.»
Wie kleine Bergbäche, die sich ihren Weg durch die Tiefen der Täler suchen müssen, rannen Tränen über Ackers’ vernarbtes Gesicht. Sein Kehlkopf bewegte sich auf und ab, aber Ackers hielt die Worte zurück.
«Maria?»
«Ja?»
«Geh weiter vor in der Zeit. Lass uns zu einem anderen Zeitpunkt gehen. Zu einer anderen Stelle in deinem Leben. Einer, an der etwas Bedeutendes geschah. Wir müssen nicht in diesem Schwimmbad bleiben, wenn du nicht willst.»
Ackers’ Gesicht entspannte sich einen Augenblick lang, dann ballte er die Hände zu Fäusten und schlug auf den Futon. Er warf den Kopf hin und her. «Nein, nein, nein!»
«Was ist los?»
«Nein, nein, ich will das nicht!»
«Maria? Kannst du mich hören? Maria? Bitte sprich mit mir. Was geschieht?»
«Er macht es wieder mit mir.»
«Fuchs?»
«Ja.»
«Wo befindet ihr euch?»
«Bei den Stoffballen. Wo das teure Garn ist. Hier holt er mich immer hin.»
«Vergewaltigt er dich?»
«Ja. Ja. Er zwingt mich. Ich hab ihm gesagt, ich will das nicht mehr. Nein. Ich will das nicht mehr. Er tut mir immer weh, und es ist verboten, und …»
«Immer? Hat er das schon öfter getan?»
«An meinem dreizehnten Geburtstag zum ersten Mal. Erst habe ich gedacht, das müsste so sein. Ich wollte ihn nicht verärgern. Ich war folgsam. Meine Eltern tun doch auch, was er sagt. Er hat mir sogar Bonbons gegeben und Geschenke. Ich hab schöne Kleider und …»
«Und hast du niemanden, der dir hilft?»
«Nein, niemanden. Ich bin ganz allein.»
Ackers presste die Schenkel zusammen und strampelte mit den Füßen die Decke weg. Er wand sich auf dem Futon.
«Wissen deine Eltern gar nichts darüber? Warum helfen sie dir nicht?»
«Doch, ich glaube, sie wissen alles. Sie wissen alles. Sie wollen es nur nicht wissen. Sie opfern mich, damit sie bleiben können. Ja, sie opfern mich!»
«Lass uns weiter vorgehen in der Zeit. Lass uns zu einem Punkt gehen, an dem diese schlimmen Dinge Vergangenheit sind.»
«Ja. Ja, das will ich tun.»
«Du kannst dich frei in Raum und Zeit bewegen. Geh einfach vorwärts.»
Ackers’ Atmung wurde flacher. Sein Körper beruhigte sich. Seine Beine kamen zur Ruhe. Sie lagen jetzt da wie abgeschnittene Baumstümpfe. Seine geballten Fäuste lösten sich.
«Maria? Wo bist du?»
«Auf dem Dachboden.»
«Was machst du?»
«Ich hänge mich auf.»
«Warum tust du das?»
«Ich bekomme
Weitere Kostenlose Bücher