Karma-Attacke (German Edition)

das Gefühl, den eher bodenständigen Weg gegangen zu sein, während Professor Ullrich ihrer Meinung nach spirituell etwas zu sehr abgehoben hatte. Sie bezweifelte, dass Seelen von anderen Planeten auf die Erde gekommen waren. Ja, auch sie hatte so etwas gehört. Immer wieder gab es Berichte, dass Seelen auf Atlantis waren. Sie misstraute all dem, was nicht auf historisch nachprüfbaren Fakten beruhte.
    «Es fällt den Menschen schon schwer genug zu schlucken, dass sie nicht zum ersten Mal auf der Welt sind, sondern schon Dutzende, ja Hunderte Inkarnationen hinter sich haben. Wenn wir ihnen jetzt noch etwas über fremde Sterne erzählen, geben wir uns der Lächerlichkeit preis.»
    «Tun Sie es nur deshalb nicht? Oder glauben Sie, dass es das nicht gibt?»
    «Ich glaube, man muss da unterscheiden. Nicht alles, was die Menschen während der Rückführungen sehen, haben sie wirklich in früheren Leben erlebt. Sie müssen sich das so vorstellen wie ein Fotoalbum, das Sie auf dem Dachboden finden, und dazwischen liegen noch Zeitungsausschnitte. Es werden auch Fotos darin sein von Feierlichkeiten, an denen Sie gar nicht teilgenommen haben. Von Kindern, die nicht Ihre Kinder sind. Trotzdem sind all diese Fotos da und real. Wenn das Bewusstsein während einer Rückführung den Kanal weit öffnet, dann kommt eine Bilderflut, die auch Erinnerungen aus Filmen, Büchern und so weiter mit sich bringt. Außerdem ist längst nicht alles, was Menschen während einer Rückführung erleben, aus einem einzigen Leben. Sie ordnen es nur diesem einen Leben zu. Es kann aber sein, dass sie Dinge erleben, die in verschiedenen Leben passiert sind. Man rutscht nicht immer genau entlang der Zeitschiene.»
    Ackers erwischte sich dabei, dass er an den Fingernägeln kaute. Das hatte er seit seiner Pubertät nicht mehr getan.
    «Wenn Sie sich an das letzte Jahr erinnern und mir alles erzählen wollen, was dort geschehen ist, werden Ihnen auch Erinnerungen dazwischenkommen, an Ihre Kindheit, an Filme, an Bücher, an Sachen, die Kollegen Ihnen erzählt haben. Trotzdem hat es doch das letzte Jahr wirklich gegeben. Unsere Seele ist eben kein Polizeibericht. Sie erinnert sich so, wie die Bilder gerade kommen.»
    Er schwieg eine Weile und schaute sie an.
    «Wenn Sie mit Professor Ullrich in einer Ausbildungsgruppe waren, haben Sie ihn dann auch zurückgeführt und er Sie?»
    Sie nickte. «Selbstverständlich. Er rutschte damals in ein Leben auf einem Planeten namens Thara. Dort herrschten ziemlich archaische, urzeitliche Prinzipien. Wenn Sie mich fragen, kein Leben, an das man sich gern erinnert. Er hatte große Lücken, das Ganze war nur sehr schemenhaft. Dort hat er grässliche Wesen gesehen. Hillrucs.»
    «Warum sagen Sie das so spöttisch?»
    «Na, ich bitte Sie. Hillruc, das ist ein Anagramm seines Namens. Es setzt sich aus den gleichen Buchstaben wie Ullrich zusammen. Man muss nicht Psychologie studiert haben, um zu sehen, was er in diese Hillrucs hineinprojiziert hat. Es sind die abgespaltenen Anteile seiner Seele. Sein Schattenbereich, falls Ihnen das etwas sagt. Manche Leute sehen sehr genau, manche riechen sehr genau. Bei ihm waren es hauptsächlich Gefühle. Angst, Hass, Existenzkampf. Ich denke, das waren innerseelische Prozesse. Die Seele hat Bilder gezeigt, die sie tatsächlich bewegt haben. Ein wirkliches früheres Leben war das nicht. Ullrich war ganz fixiert auf dieses Thara-Leben. Seine Inkarnationen auf der Erde hingegen haben ihn kalt gelassen. Er wollte von all unseren Gruppenmitgliedern wissen, ob sie auf Thara gewesen sind. Es wurde schon Mister Thara genannt, denn jedes Mal, wenn er einen von uns übungshalber zurückführen musste, schickte er ihn nicht hin zum Ursprung seiner eigentlichen Probleme im Jetzt, sondern fragte jedes Mal nach dem Leben auf Thara.»
    Sie lachte.
    «Leider konnten wir ihm nicht helfen. Keiner aus unserer Ausbildungsgruppe hatte eine Erinnerung an ein Leben auf Thara.»
    Ackers beobachtete, wie Brigitte Zablonski ihre Füße bewegte. Sie schwebten wenige Zentimeter über dem Kissen. Die großen Zehen berührten sich. Als hätte sie ihrem Körper damit ein Signal gegeben, atmete sie kräftig aus. Dann setzte sie die Füße wieder fest nebeneinander aufs Kissen.
    Einige ihrer Verhaltensweisen kamen Ackers bekannt vor. Auch Professor Ullrich machte so kleine, scheinbar unbedeutende Dinge sehr langsam und bewusst. Die Stellung der Füße. Die Bewegung der Hände. Das Atmen. Sie schenkten beide ihrem Körper