Karma-Attacke (German Edition)
mehr Aufmerksamkeit als andere Menschen. Es kam Ackers so vor, als wären sie mehr in sich drin als andere Leute. Auch als er selbst. Er beneidete sie darum.
Er wusste, dass sie jetzt das Thema wechseln würde. Ob sie das in ihrer Ausbildungsgruppe gelernt hat, dachte er, nicht in einem Atemzug zwei Themen anzusprechen? Er räusperte sich.
«Aber nun genug über Professor Ullrich. Genug über Thara. Kommen wir zu Ihnen und Ihren Problemen. Legen Sie sich bitte hin. Wir werden einige Entspannungsübungen machen und dann schauen wir uns den Ursprung Ihrer Schwierigkeiten an.»
Mit trockenem Hals fragte er: «Was für Schwierigkeiten?»
«Nun, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie zufällig an diesen Fall geraten sind. Dass Sie zufällig jetzt hier sitzen und dass das alles nichts mit Ihnen zu tun hat, oder? Wenn es zwischen Ihnen, Professor Ullrich und diesem Mädchen keine karmische Verstrickung gäbe, wären Sie nicht hier. Davon bin ich überzeugt. Wir können uns nun gemeinsam anschauen, was Sie mit diesem Fall wirklich zu tun haben.»
Es hielt Ackers nicht mehr im Korbsessel. Er stand auf, und seine Stimme klang härter als nötig. «Was ich wirklich damit zu tun habe? Ich bin der ermittelnde Kommissar! Ich muss einem Mörder das Handwerk legen!»
Sie nahm seine heftige Emotion nicht auf. Mit der offenen Handfläche deutete sie auf die Chaiselongue. «Legen Sie sich hin, Herr Ackers. Atmen Sie ein paar Mal tief aus. Wenn ich Ihnen helfen soll, den Mörder zu finden, müssen wir zurückgehen in die Zeit, als die Probleme begannen.»
«Ich kann Ihnen genau sagen, wann die Probleme begannen. Die Probleme begannen vor wenigen Tagen, als Dr.Ralf Rottmann im Garten der Klinik …»
Brigitte Zablonski schüttelte den Kopf. «Begannen sie da wirklich?»
Ackers korrigierte sich gleich. «Nein. Eigentlich begannen sie vorher, als die Mutter von Vivien Schneider zerfleischt wurde.»
«Sehen Sie? Wir setzen den Anfang immer willkürlich. In Wirklichkeit liegt alles noch weiter zurück. Wenn Sie das nicht glauben würden, dann wären Sie doch gar nicht hier.»
Ackers legte sich jetzt wirklich hin. Er fühlte die Entspannung seiner Waden, genau wie Frau Zablonski sie ihm suggerierte. Die Entspannung ging weiter durch seinen Körper. Schon war sie an den Oberschenkeln.
Da riss er sich hoch und behauptete, keine Zeit mehr zu haben. Er habe nicht geahnt, wie lange das alles dauern würde. Er käme ein andermal wieder. Jetzt könne er leider wirklich nicht mehr.
Sie lächelte ihn milde an. «Sie haben Angst, Herr Kommissar. Das ist es. Ich kann es gut verstehen. Viele Menschen haben Angst. Kaum einer traut sich bis hierher. Die Geheimnisse, die unsere Seele hütet, sind nicht immer sehr angenehm.»
«Ich habe keine Angst!», bellte Ackers. So etwas ließ er sich nicht sagen. «Ich bin bei der Mordkommission. Ich habe vieles gesehen, wovor andere Leute die Augen verschließen!»
«So», sagte sie lächelnd, «Sie haben keine Angst. Und warum haben Sie dann Ihren Revolver mitgebracht?»
25
Die neue Geschäftsführerin der Krankenhausholding, Katrin Reb, wollte noch einen letzten Versuch machen, die verfahrene Situation zwischen ihr und der Verwaltungsdirektorin Dr.Sabrina Schumann zu klären. Falls ihr das nicht gelänge, würde sie Frau Dr.Schumann nahe legen, sich nach einer anderen Stelle umzusehen.
Sie musste als neue Geschäftsführerin mit den entscheidenden Leitungsgremien gut zusammenarbeiten können, sonst hatte sie keine Chance, die Neustrukturierung der Klinik durchzusetzen. Man erwartete viel von ihr. Schwarze Zahlen binnen Jahresfrist würde sie nicht schreiben können, selbst dann nicht, wenn alle mitzogen. In Frau Dr.Schumann hatte sie eine Feindin. Diesen Zustand würde sie bereinigen, nicht umsonst war sie für ihre zupackende Art bekannt. Sie würde Klartext reden.
Sie trafen sich zu einem Arbeitsessen in Katrin Rebs Lieblingsrestaurant. Als Vorspeise nahm sie eine Tarte aux lisettes. Sie liebte diese kleinen Makrelen auf Tomatenfrikassee und hatte oft vergeblich versucht, sich diese Vorspeise selbst zuzubereiten. Es schmeckte nie wie hier an diesem Platz, von wo aus sie den Eingang im Blickfeld hatte und den Zugang zur Küche. Sie mochte es, Peter zuzusehen, der sich Pierre nannte und die Speisen wie ein Artist aus der Küche jonglierte.
Bei der frischen Entenleber mit Auberginen zögerte sie einen Augenblick. Rein figürlich konnte sie sich das nicht leisten, aber sie würde danach eben
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