Karma-Attacke (German Edition)
täglich verprügelt und missbraucht, würden Sie doch auch einschreiten, oder nicht?»
«Klar würde ich das!», fauchte Ackers zurück.
«Was der hier macht, ist noch viel schlimmer!»
Aus Schneiders Nase war ein Fiepsen zu hören. Er versuchte, Luft einzusaugen. Es gelang ihm aber nicht. Ackers hatte eigentlich nur die Wahl, Professor Ullrich k.o. zu schlagen. Wust rechnete jeden Augenblick damit. Er wunderte sich, warum sein Chef so lange zögerte. Wenn das hier ein juristisches Nachspiel mit Zeugen hatte, würde er dabei nicht besonders gut aussehen. Ackers wusste das selbst, aber er hatte vor dem Professor einen tiefen Respekt. Es lag nicht an seinem Titel und nicht an seinem Auftreten. Dieses Gefühl war während der Rückführung entstanden. Ackers wünschte sich sehr, der Professor würde loslassen, ohne dass er ihn niederschlagen musste.
Wust hatte bereits sein CS-Gas in der Hand und wartete nur auf den Einsatzbefehl. Ein paar Spritzer, und alle würden lammfromm werden. Er setzte dieses Zeug gerne ein. Er musste dann weniger Handarbeit erledigen und kam mit weniger Schürfwunden und blauen Flecken nach Hause. Ein Gegner, der nichts mehr sah, war leicht zu besiegen.
Schneiders Körper begann zu zittern. Er verdrehte schon die Augen. Da legte Ulla ihre Hand auf den Arm des Professors und sagte mit sanfter Stimme: «Bitte. Lassen Sie ihn los.»
Als sei eine magische Formel ausgesprochen worden, lösten sich Ullrichs Finger von Schneiders Kehlkopf. Rund um den Adamsapfel waren fünf tiefe Gruben, in deren Mitte jeweils die Fingernagelabdrücke eingeschnitten waren, zu sehen.
Schneider japste nach Luft. Er massierte sich den Hals, beugte sich nach vorne und musste erbrechen.
Ackers atmete erleichtert auf. Er sah zu Wust, der sofort sein CS-Gas wegsteckte, und ordnete an: «Ringfahndung. Sofort.»
Wust nickte und lief zum Auto, um über das Funktelefon den Einsatzbefehl durchzugeben.
Ulla Schneider streichelte mit fahrigen Bewegungen über den Rücken ihres Mannes, so als könnte sie ihm damit helfen. Doch ihre Aufmerksamkeit war nicht bei ihm, sondern bei Ackers. Sie war einmal mit einem Polizeibeamten verlobt gewesen. Eine Beziehung, die grausam in die Brüche gegangen war. Doch sie kannte noch die Terminologie. Eine Ringfahndung nach einem weggelaufenen fünfzehnjährigen Mädchen erschien ihr maßlos. Sie kannte den Einsatzbefehl Ringfahndung nur im Zusammenhang mit Geiselnahmen und Banküberfällen. Bei jungen Mädchen, die ihren Eltern wegliefen, musste man eigentlich schon froh sein, wenn die Polizei überhaupt eine Vermisstenmeldung aufnahm.
Professor Ullrich fand diesen Einsatz gerechtfertigt. «Falls sie Ihnen ins Netz geht», sagte er mit freundlicher Stimme, «bitte sagen Sie Ihren Beamten, sie möchten vorsichtig sein und mich sofort rufen. Ich bin Tag und Nacht zu erreichen.»
Ullrich schrieb seine Handynummer auf ein Blatt Papier und reichte es Ackers. Der nickte.
Wust kam aus dem Fahrzeug zurück. Er hatte den Befehl durchgegeben. Der letzte Satz von Professor Ullrich war ihm nicht entgangen. Er fragte Ackers: «Soll der wirklich bei der Verhaftung dabei sein?»
«Habe ich das gerade richtig verstanden?», hakte der Professor aggressiv nach. «Sie wollen sie verhaften?»
Ackers wiegelte ab. «Nur zu ihrer eigenen Sicherheit.»
Professor Ullrich schüttelte den Kopf. «Reden Sie doch nicht so einen Blödsinn. Sie war sicher. Bis heute Mittag um zwölf. Bis man sie aus dem geschützten Raum der Klinik herausgeholt und diesem Mann übergeben hat.»
Ackers konnte sich der Argumentation von Professor Ullrich nicht voll verschließen, und er hörte aus dem Klang seiner Worte den maßlosen Wunsch nach Vernichtung heraus. Am liebsten hätte Ullrich diesem Schneider wohl den Hals umgedreht.
Er zog den Professor zur Seite. Er wollte alles in sachlichere Bahnen lenken und Ullrichs Wissen über Vivien nutzen. «Wo wird sie hingehen?»
Ullrich zuckte mit den Schultern. «Sie kennt nicht viele Menschen außerhalb der Klinik.»
«Klassenkameraden von früher? Gab es jemanden, der ihr geschrieben hat?»
«Die Kontakte sind nach kurzer Zeit fast völlig abgebrochen. Das ist übrigens immer so, wenn Leute in der Psychiatrie landen. Würde Ihnen nicht anders ergehen.»
Das empfand Ackers als Tiefschlag, er reagierte aber nicht darauf. Er ahnte, dass er sich bei Professor Ullrich nicht auf die volle Mitarbeit verlassen konnte. Der Mann verschwieg etwas.
Wust schlug vor, sich diesen Tom Götte
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