Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Alles, was sie darüber wusste, kannte sie nur aus dem Fernsehen. Bilder von Striptease-Lokalen, in denen Tatort -Kommissare nach einem Prostituiertenmord einen Zuhälter vernahmen, mischten sich mit Videoclips und einer Reportage über die größte Berliner Disco. An den Namen erinnerte sie sich nicht mehr, aber an das abweisende Gesicht des Türstehers umso genauer.
    Die Kleiderordnung im Gamma war nicht sehr streng. Dass Vivien keine Schuhe anhatte, störte hier niemanden. Die nicht mehr ganz saubere kurze Jeans nahm man auch hin. Das T-Shirt mit den Flecken drin hätte selbst genäht sein können, aus der Altkleidersammlung stammen oder von einem berühmten Designer - wer konnte das schon bei dem Licht unterscheiden? Da heute mal wieder Männerüberschuss herrschte und sie genau der Typ Frau war, der im Leben des Kassierers schon viele Katastrophen angerichtet hatte, wäre er vielleicht sogar bereit gewesen, sie umsonst hereinzulassen und für den ersten Drink einen Gutschein zu spendieren. Aber ohne Ausweis lief überhaupt nichts.
    So streng wie heute waren die Jugendschutzgesetze im Gamma noch nie ausgelegt worden. Vor einer Stunde war noch eine Anweisung an das Thekenpersonal gegangen, beim Ausschank von Alkohol auf das Alter der Kunden zu achten. Bernhard, der Besitzer der Disco, befürchtete eine Drogenkontrolle. Er legte immer noch selber die Platten auf, weil er wusste, dass Teenies einen DJ im Netzhemd interessanter fanden als einen Geschäftsführer, der in seinem Laden nach dem Rechten sah. Heute Abend waren ein paar ältere Typen hier aufgekreuzt, die so betont cool mit einem Mineralwasserglas herumliefen, dass er Ärger witterte. Die waren nicht vom Jugendschutz. Und Bernhard wusste genau, dass sie auch nicht hier waren, um sich zu amüsieren.
    Im letzten Jahr wäre eine Schülerin in seiner Disco fast abgekratzt. Zum Glück hatte sie die Drogen aber selbst mitgebracht. Das Gamma war sauber geblieben. Eine der wenigen fast drogenfreien Diskotheken des Landes. Darauf war Bernhard stolz. Und dass er keinen Koks brauchte, um die Schülerinnen in sein Bett zu locken, stärkte sein Selbstbewusstsein enorm.
    Vivien behauptete, ihren Ausweis im Auto ihres Freundes liegen gelassen zu haben. Der Freund sei aber schon in der Disco. Ob sie nicht wenigstens hereinkönne, um ihn herauszuholen.
    Der Kassierer lächelte sie milde an. Er hörte an jedem Abend ein paar Dutzend ähnliche Geschichten. Diese war nicht besonders dreist und auch nicht originell. Er würde die Kleine nicht hereinlassen. An einem anderen Tag vielleicht, aber nicht heute. Er schüttelte stumm den Kopf.
    Vivien drehte sich um und ging auf den Parkplatz zurück. Sie setzte sich auf den Kühler von einem Audi und schaute von hier aus zum Discoeingang. Sie konnte den Kassierer sehen und jede seiner Handbewegungen. Er trank Kaffee aus einem Pappbecher. Sie sah aber, dass er hinter sich einen Flachmann stehen hatte, aus dem er sich nachfüllte. Einige Gäste begrüßte er sehr kalt und distanziert, andere überschwänglich mit Küsschen und Umarmung. Sie sprang vom Kühler und schlich einmal um die Disco herum. Wo war der Hintereingang?
    Überall standen Autos. Sogar zwei Lkws. Eine Weile schaute Vivien einem Pärchen zu, das die Liegesitze ausprobierte. Schließlich stiegen sie aus und liefen zum Waldrand hinüber. Immer wieder blieben sie unterwegs stehen, küssten und befummelten sich.
    Vivien ging hinter ihnen her. Entweder bemerkten die beiden sie nicht, oder sie war ihnen egal. Sie trat ganz nah an die beiden heran. Der Junge hatte sein Hemd offen und seine Hose auch. Das Mädchen war ganz nackt. Vivien stand so nah bei ihnen, dass sie ihren Schweiß riechen konnte. Das Klatschen der Körper gefiel ihr. Sie bückte sich, hob den Ringelpulli auf und zog ihn über ihr T-Shirt. In der Tasche der Lederjacke fand Vivien das Portemonnaie. Zwei Zwanzigeuroscheine waren hintendrin, ein bisschen Klimpergeld vorne und ein Schülerausweis für Swetlana Wokolowa, neunzehn Jahre alt, Schülerin am Hans-Baldus-Gymnasium. Dazu eine Monatskarte für den Bus.
    Das Foto auf dem Schülerausweis zeigte eine lachende Zwölfjährige mit Zahnspange und kurzen Haaren. Vivien nahm den Ausweis. Dieses Bild sah ihr genauso ähnlich wie jedes andere auch. Sie zupfte einen Schein aus dem Portemonnaie. Den anderen ließ sie drin. Dann legte sie die Lederjacke wieder zurück. Den geringelten Pulli behielt sie an.
    «Nicht! Mach mir bloß keine Knutschflecken!»,

Weitere Kostenlose Bücher