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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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linken Fuß ein Loch. Sie konnte den Blick jetzt nicht mehr von der Tür nehmen. Würde er tatsächlich so dort erscheinen?
    Ja, genau so. Nur das Loch in der Socke war nicht am linken, sondern am rechten Fuß.
    «Na, ausgeschlafen, Prinzessin?», lachte er und wuchtete seine Einkaufskiste neben die Teekaraffe. Er hatte alles mitgebracht, was in der Klinik verpönt war. Cola, Red Bull, Schokolade. Eine Riesenpackung Toffifee. Vier Tiefkühlpizzen. Aber da war noch etwas. Eine randvolle Plastiktüte. Sie roch es. Darin war Fleisch. Rohes, blutiges Fleisch.
    «Willst du eine Grillparty veranstalten?», fragte sie und lächelte ihn vorsichtig an, um auszutesten, ob er noch sauer auf sie war. Sie wusste, dass er seine Gefühle gut verbergen konnte. Im Laufe der Therapie hatte sie sich oft gefragt, was er in Wirklichkeit über sie denken mochte.
    Er lächelte freundlich zurück, als wäre das gestern alles nicht passiert, griff mit der Hand in die Tüte, holte mindestens fünf Pfund Rindergehacktes heraus, warf es wie einen Ball in die Luft, fing es mit beiden Händen auf und lachte: «Ich mache uns Frikadellen, wenn du magst.»
    Sie nickte. «Und ob.»
    Gern hätte sie eine Cola aufgerissen und hinuntergestürzt, doch sie wollte ihn nicht beleidigen. Schließlich hatte er ihr den Tee hierhin gestellt. Sie würde erst den Tee trinken und dann die Cola. Jetzt war sie ohnehin noch zu warm.
    Der Professor ging mit dem Fleisch in den nächsten Raum. Vivien folgte ihm. Es war eine kleine Küche, in fröhlichem Hellblau gehalten. Ein Gasherd, eine Spülmaschine, ein Kühlschrank - was brauchte man mehr, um sich für ein paar Tage zurückzuziehen? Eine Ameisenstraße führte quer durchs Zimmer. Die kleinen Tierchen transportierten aus dem Vorratsschrank Zucker zu einem Loch in der Fußleiste.
    Schwungvoll fettete Professor Ullrich eine Pfanne ein und pfiff dabei. Vivien wünschte sich so sehr, dass er ihr verzieh und dass er nicht nur so tat, als sei alles normal, aus Mitleid, weil sie eine durchgeknallte, kleine Patientin war. Sie wusste nicht, wie sie diesem Gefühl Ausdruck verleihen sollte. Sie umarmte ihn von hinten. Er blieb stehen und fettete weiterhin die Pfanne ein, als sei nichts geschehen.
    Sie kuschelte ihr Gesicht zwischen seine Schulterblätter und sagte: «Verzeih mir, Peter. Es tut mir Leid. Ich war gemein. Ich wollte das nicht.»
    Er löste sich aus ihrem Griff, drehte sich zu ihr um und schaute ihr in die Augen. Die Berührung seiner Finger, ganz sanft und warm, erinnerte sie an das Schwindelgefühl. Am liebsten hätte sie sich wieder hingelegt.
    Er schüttelte den Kopf. «Da ist nichts zu verzeihen, Vivien. Alles ist okay.»
    «Aber», stotterte sie, «was ich im Auto gesagt habe, das …»
    Sie spürte, dass die Verwirrung durch seine Finger in sie eindrang wie eine Droge. Ihr Verstand schien zu trudeln. Sie kriegte keinen vernünftigen Satz mehr auf die Reihe. Sie wusste, was sie sagen wollte, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie es formulieren sollte. Es war, als würde seine Berührung wie ein Messer Verstand und Gefühl voneinander trennen.
    «Mach dir keine Sorgen, Vivien. Es ist eine ganz normale Projektion gelaufen. Du weißt doch, was eine Projektion ist?»
    Sie nickte. Sie hatte genügend Therapieerfahrung. «Ja. Das heißt, dass du für etwas herhalten musstest, das du nicht gemacht hast. Weil du in mir einen alten Film ausgelöst hast.»
    Er lächelte und strich ihr über die Haare. «Ja. Und das ist vollkommen normal, Vivien. Das wird noch oft passieren. So oft, bis du durch alles durch bist, was dich quält.»
    «Wenn keine alten Filme mehr laufen, bin ich dann geheilt?» Wieder lächelte er. Diesmal war es ihr eine Spur zu mildtätig. Fast schon arrogant. Am liebsten hätte sie ihm eine reingehauen. Sie erschrak über diesen Impuls.
    «Heißt das», schrie sie ihn an, «dass ich nie weiß, was Wirklichkeit ist?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein, Vivien. Das heißt es nicht. In deinem inneren Erleben ist es Wirklichkeit. Und deswegen darfst du reagieren, wie du reagierst. Es gibt kein Richtig und kein Falsch darin. Wenn du meine väterlichen Gefühle für dich spürst, dann gibt es eine Vivien, die freut sich darüber.»
    Sie nickte so heftig, dass ihr Kinn gegen ihre Brust schlug.
    Er berührte die Stelle über ihrem Herzen mit seinem Zeigefinger. «Und es gibt eine Vivien, dadrin», er klopfte an, als wollte er Einlass begehren in ihr Herz, «die kriegt dann Angst und Wut, denn sie weiß, was

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