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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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mir sehr viel. Und schon seit längerem hab ich darunter gelitten – zu wissen, dass du das kritisch bewerten würdest, dass ich mit Dylan schlafe und so. Da hab ich lieber aufgehört, dir alles zu erzählen. Es … es war mir peinlich. Ich meine, du behandelst mich wie eine unbesiegbare Liebesgöttin und dieser Typ demütigt mich. Das Schlimmste war, dass ich trotzdem nicht von ihm lassen konnte. Ich hätte so dringend mit dir reden müssen – aber wie konnte ich? Wenn ich nur daran denke, wie wichtig mir deine Anerkennung war. Ich hatte Angst, dass du mich einfach abschreiben würdest, weil ich so blöd war und immer wieder zu ihm zurückgegangen bin – du hast ja schließlich tausendmal gesagt, dass ich was Besseres verdient hätte und so. Ich hatte Angst vor deinem … deinem stillen Urteil.«
    Das war neu für mich: dass ich selbst trotz meiner Passivität noch als Kritikerin wahrgenommen wurde. Ohne es zu merken, hatte ich also eine viel größere Rolle in unserem Zwist gespielt, als ich mir das je hätte vorstellen können. Ich hatte immer gedacht, ich sei nur eine Art Zuschauerin, eine kameratragende Beobachterin. Ich hatte immer geglaubt, ich sei das Opfer – aber vielleicht hatte ich diese Rolle nur kreiert.
    Ich wollte sie berühren, doch trotz der Gedanken, die wir ausgetauscht hatten, wirkte es immer noch, als sei sie kilometerweit entfernt.
    »Gwyn«, sagte ich, »mir ist das nie aufgefallen. Ich glaube, ich war einfach zu beschäftigt damit, mir darüber Sorgen zu machen, dass ich vielleicht nicht cool genug für dich war.«
    »Und ich hab immer das Gefühl gehabt, mich dir gegenüber bloß möglichst cool benehmen zu müssen. Obwohl ich mir nichts sehnlicher wünschte, als ich selbst zu sein. So wie du.«
    »Du bist du selbst. Du hast es doch gar nicht nötig, dir die Identitäten anderer Leute anzueignen. Ich meine, verdammt, wir haben doch im Grunde ohnehin die meiste Zeit keinen Plan, was gerade angesagt ist und was nicht. Sei einfach du selbst.«
    »So einfach ist das also?«
    »Nee, wahrscheinlich nicht.«
    Wie einfach es doch gewesen war, Prinzessinnen und Piraten zu sein, als wir noch klein waren. Nie hatten wir den Eindruck, wir seien nicht wir selbst. Es war vielmehr so, als würden wir höchst aufregende Seiten von uns entdecken und ausleben. Warum war jetzt alles, was in unserer Kindheit so einfach gewesen war, so kompliziert?
    »Mein Gott, Gwyn«, sagte ich, »erinnerst du dich noch daran, wie wir immer hier hergekommen sind? Als wir noch keine Jungs geküsst haben, als wir noch gar nicht an Jungs gedacht haben. Ein Teil von mir wünschte sich, wir zwei wären immer hier geblieben und hätten unser selbst gemachtes Zuckerwasser getrunken. Hätten uns hinter unserem Passwort versteckt – wie hieß es noch mal?«
    Doch sie schüttelte bloß den Kopf. Und das hatte etwas Endgültiges.
    »Warum kann es denn nicht mehr so sein wie vorher?«, flüsterte ich.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich. »Ich muss darüber nachdenken, Dimple. Es ist alles nicht so einfach. Schließlich ist zu viel passiert. Und ich weiß nicht, ob wir uns jemals wieder völlig vertrauen können.«
    »Mit Karsh ist aber nichts passiert, wenn du das meinst«, sagte ich. »Wenn du willst, dass ich die Finger von ihm lasse, dann … dann mache ich das.«
    Ich betete allerdings, dass sie Nein sagen würde. Und tatsächlich schüttelte sie den Kopf, doch noch bevor mein Erleichterungsseufzer richtig draußen war, sorgte sie dafür, dass ich ihn gleich wieder bereute.
    »Aber ich brauch ein bisschen Abstand. Ich muss mal für mich allein sein. Und Zeit. Ich brauch Zeit.«
    »Abstand? Zeit? Gehst du denn morgen etwa nicht auf die Party?«
    »Ich … ich bin mir noch nicht sicher, Dimple. Ich glaub, mir wär's am liebsten, wenn ihr zwei euch eine Zeit lang von mir fern halten würdet.«
    Sie war aufgestanden und duckte sich unter der niedrigen Decke.
    »Oh nein!«, rief ich. »Ich kann mich nicht von dir fern halten. Ohne dich wäre alles …«
    Wie konnte ich ihr bloß sagen, wie sich die letzten Wochen angefühlt hatten? Was es an schönen Momenten gegeben hatte, sie waren nur ein Bruchteil von dem, was sie hätten sein können, wenn ich sie mit meiner besten Freundin hätte teilen können. Und die weniger schönen Momente, die wurden noch finsterer durch das riesige Loch, das ihre Abwesenheit in meinem Leben hinterlassen hatte. Ich hatte das ja schon mal als Kind durchgemacht und das war auch schrecklich gewesen.

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