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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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öffnete die Box.
    Erst erkannte ich nicht, was da vor mir lag. Dutzende von schwarz-gelben Döschen, darauf knallbunte Aufkleber – und dann dämmerte es mir plötzlich, als ich eine der Dosen öffnete: Es handelte sich um waschechte Filmrollen für Chica Tikka. Aber das war noch lange nicht alles. Als ich mit der Hand durch die unzähligen Farbund Schwarz-Weiß-Filme wühlte, stieß ich auf dem Boden der Box auf etwas Hartes. Ich zog es heraus und hielt ein schweres schwarzes Buch mit dem goldenen Aufdruck »Erinnerungen« in den Händen. Offensichtlich war es als Album für all die Fotos gedacht, die ich mit den neuen Filmen schießen würde.
    Doch als ich den Buchdeckel aufklappte, sah ich, dass das Album bereits voll war. Ich blätterte weiter, vollkommen perplex: Das Album war randvoll mit all den Briefen und Fotos, die ich Dadaji im Laufe der Jahre geschickt hatte! Er hatte sie also alle aufgehoben. Und Kavita hatte sie für mich in dieses Buch geklebt. Da es sich eindeutig um ein amerikanisches Fotoalbum handelte, hatte sie offenbar das ganze Material in Indien gesammelt und dann hier – trotz allem Uni-Stress – geordnet und zusammengestellt. Wie sollte ich ihr jemals dafür danken?
    Plötzlich dämmerte mir: Ich hatte immer gedacht, Kavita und ich hätten nichts gemeinsam. Doch in Wahrheit hatten wir etwas sehr Kostbares gemeinsam: Dadaji.
    Auf der Box hatte ein Zettel gelegen, der beim Öffnen hinuntergefallen war. Ich hob ihn auf und las den in kleiner, runder Handschrift geschriebenen Text:
    Ich wollte dir dieses Geschenk nicht in Gegenwart deiner Mutter überreichen. Es hätte sie vielleicht zu traurig gemacht.
    Dafür jetzt noch einmal: Herzlichen Glückwunsch, Cowgirl! Dadaji hat dich sehr lieb gehabt. Und ich dich auch. Deine Kavita.
    Ich versteckte das Album unter meinem Kopfkissen, verkroch mich unter die Bettdecke und weinte länger und heftiger, als ich je zuvor wegen Dadajis Tod geweint hatte. Und gleichzeitig heulte ich wegen der plötzlichen Gewissheit, dass mir Kavita offenbar immer schon so nahe stand, ohne dass ich nur einen Schimmer davon gehabt hatte.

9. KAPITEL
Der unpassendste passende Junge zwischen Hudson und Ganges
    Am Morgen des Tages, an dem ich einen gewissen Karsh Kapoor kennen lernen sollte, wachte ich von einem bösen Albtraum auf. Erst war ich erleichtert, wieder in der Realität angekommen zu sein, doch dann dämmerte mir, dass mir der wahre Albtraum noch bevorstand.
    Als ich nach dem Duschen in mein Zimmer zurückkehrte, lag auf meinem bereits gemachten Bett der gefürchtete Geburtstags-Salwar-Khameez ausgebreitet. Aha, meine Mutter wollte also tatsächlich, dass ich das anzog? Sofort riss ich meinen Kleiderschrank auf und schnappte mir die Secondhand-Jeans, die Gwyn mir einst aufgeschwatzt hatte. Irgendwann hatte ich meine Eltern mal dabei erwischt, wie sie gerade versuchten, das gute Stück zu verbrennen – die beiden hassten diese Jeans leidenschaftlich. Ich komplettierte mein Outfit mit einem ollen T-Shirt. Auf diese Weise zum Kampf gerüstet, öffnete ich meine Zimmertür und stellte mich innerlich auf das Schlimmste ein.
    Bereits im Flur konnte ich es riechen: Es war also chemische Kriegführung angesagt. Ein nasenbetäubender Geruch aus Kurkuma, Zwiebeln und vor allem Putzmitteln verpestete das Haus. Aber es herrschte ja auch Krieg und im Krieg war schließlich alles erlaubt. Um das Ganze perfekt zu machen, mussten meine Ohren zusätzlich einen Heidenlärm ertragen, der aus dem Wohnzimmer drang. Als ich die Tür öffnete, wirbelte vor meinen Augen der reinste Tornado durch den Raum. Im Epizentrum befand sich meine Mutter, die gerade versuchte, unseren widerspenstigen Staubsauger zu zähmen. Seltsamerweise trug sie eine Art Duschhaube auf dem Kopf und ihre Haare darunter sahen noch ganz nass aus. Sie war derart beschäftigt, dass sie mich erst gar nicht wahrnahm. Nachdem sie das Ungetüm endlich ausgestellt und sich aufgerichtet hatte, blinzelte sie mich an und rieb sich das Kreuz.
    »Du willst doch wohl nicht etwa so auf die Straße gehen, oder?«, fragte sie in einem Ton, der unmissverständlich klar machte: Wir zwei wissen ja ganz genau, dass es sich hier um einen Scherz handelt .
    »Ich geh gar nicht auf die Straße, falls du's vergessen haben solltest«, erinnerte ich sie.
    »Nun, du willst ja wohl in diesem Aufzug nicht drin bleiben, hoffe ich.«
    »Willst du denn in diesem Aufzug drinbleiben?«
    »In was für einem Aufzug denn?«
    »Mit der Plastiktüte auf

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