Karma Girl
dem Kopf.«
Sie fasste sich unsicher an den Kopf, so als hätte sie ihren Kopfschmuck völlig vergessen, und riss dann die Augen auf.
»Oh, danke, dass du mich daran erinnerst! Ich muss ja die Farbe noch rausspülen.«
»Farbe? Seit wann färbst du dir denn die Haare, Mama?«
»Ich weiß, aber da gab's dieses Angebot: zwei Packungen für den Preis von einer. Und die Frau auf der Packung sah so niedlich aus – perfekte Haut und ein blitzblankes Lächeln. Ich zeig's dir später.«
Sie ging zur Tür und wandte sich noch einmal kurz um.
»Bin gleich wieder da. Kannst du schon mal den Herd ein bisschen runterstellen? Und tu mir bitte einen Gefallen und zieh diese verdammten Klamotten aus!«
Was war nur mit meiner Mutter los? Seit wann färbte sie sich die Haare? Mir war noch nicht mal bewusst, dass sie überhaupt graue Haare hatte. Übertrieb sie nicht ein bisschen?
★ ★ ★
Mein Vater kümmerte sich um den Tee. Seine wissenschaftliche Miene, die er dabei zur Schau stellte, war ein untrügliches Zeichen dafür, dass er mal wieder überhaupt keine Ahnung hatte, was er eigentlich genau tat. Dabei war der Tee enorm wichtig – denn das gemeinsame Tee-trinken hat eine große Bedeutung in der indischen Kultur. Ich äugte immer wieder zu der Dose mit Cayenne Pfeffer hinüber und fragte mich, ob es vielleicht eine Möglichkeit gab, ganz beiläufig eine Prise davon in die Tassen von Karsh und seiner Mutter zu streuen.
Als meine Mutter wieder in der Küche auftauchte, leuchteten ihre Haare in einem knallig glänzenden kupferfarbenen Ton. Ich entschloss mich, besser nichts zu sagen. Und mein Vater schien dieselbe Eingebung zu haben.
»Na, was sagt ihr?«, fragte meine Mutter, drehte eine Pirouette und fuhr sich selbstbewusst durchs feuerrote Haar. »Sehe ich gut aus?«
Ob sie gut aussah? Wessen Date war das hier eigentlich? Mein Vater und ich nickten stumm. Sie sah besser aus als nur »gut«, sie war kaum wiederzuerkennen. Denn die gefärbten Haare waren nicht die einzige Veränderung an ihr. Sie trug Make-up und Parfüm, ihre Ohren waren mit Diamanten geschmückt und an den Armen trug sie goldene Armreifen. Eingehüllt war sie in ein hautenges schwarzes Wickelkleid. Alles in allem sah sie aus wie eine frisch geschiedene Frau, die es noch mal wissen wollte. Zum Glück stand mein Vater neben ihr, was sehr beruhigend war. Er schien nun doch etwas sagen zu wollen.
»Was?«, sagte sie in einem Ton, der ihn sofort wieder den Mund schließen ließ.
»Nichts, gar nichts«, sagte er wohlweislich. »Es ist nur … anders. Das ist alles.«
»Was ist anders?«
»Dein … dein … Stil.«
»Ich kapier das nicht«, seufzte ich. »Du darfst so was anziehen und ich soll in so ein total mittelalterliches Gewand steigen?«
»Dimple, eines Tages wirst du das verstehen«, sagte meine Mutter. »Und jetzt sei einmal ein gutes Mädchen, und zieh dich um, ja? Es ist so ein schöner Salwar Khameez.«
Ich rührte mich nicht vom Fleck. Dafür rührte sie sich, und zwar stemmte sie drohend die Fäuste in die Hüften.
»Dimple Rohitbhai Lala«, sagte sie schon wieder in diesem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Zieh jetzt das verdammte Ding an!«
In ihrem neuen Outfit schien meine Mutter ein ziemlich ernst zu nehmender, vor Selbstbewusstsein strotzender Gegner zu sein. Und ich war ziemlich erschöpft. Also tat ich, was man von mir erwartete. Sie konnten mich vielleicht dazu zwingen, diese Klamotten anzuziehen, aber nicht dazu, mit diesem Typen auszugehen.
★ ★ ★
Natürlich war alles weit im Voraus fertig, sodass wir uns schon mal ins Wohnzimmer begaben. Mein Vater trug mittlerweile einen kastanienbraunen und deshalb ziemlich gewagten Anzug, den er sonst zu Vorträgen im Krankenhaus anhatte, allerdings ohne Krawatte – damit es bei »sportlicher Eleganz« bliebe, wie meine Mutter sich ausdrückte. Also saßen wir drei stocksteif in unseren krampfigen Kostümen herum. Ich kam mir vor wie beim Fasching – einfach lächerlich!
Plötzlich musterte meine Mutter mein Gesicht, als ob auf einmal meine Augenbrauen verschwunden wären oder so. Schließlich schnippte sie mit den Fingern.
»Jetzt weiß ich, was fehlt, Beta! Warum trägst du denn kein Bindi?«
»Mama, was soll ich mit einem Bindi? Seh ich nicht schon altertümlich genug aus?«
»Warum trägst du eins für irgendwelche dahergelaufenen Typen, aber nicht für einen netten indischen Jungen?«, sagte sie.
Eins zu null für sie.
Es klingelte – und in diesem Moment
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