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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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dort jeder hingehen, Kavita?«
    »Je mehr, desto besser!«
    »Kennst du vielleicht zufällig …«, sagte meine Mutter übertrieben beiläufig, während sie mit ihrer Serviette spielte, »… einen Jungen namens Karsh?«
    Oh nein, jetzt ging das wieder los …
    »Karsh Kapoor? Natürlich kenn ich den – der engagiert sich auch in der südasiatischen Szene.«
    Hilfe, Spießer-Alarm! Warum in aller Welt ging keine Warnleuchte an?
    »Ich hab's doch gewusst«, sagte meine Mutter stolz, als ob sie irgendetwas damit zu tun hätte. Ich verdrehte die Augen.
    Kavita sah mich an. Allerdings gelang es mir bei ihrem immerfort lächelnden Gesicht nicht, ihre Miene zu deuten.
    ★ ★ ★
    Als Kavita später in mein Zimmer trat, im Nachthemd und mit geputzten Zähnen, lag ich bereits lang ausgestreckt und vom Tag ziemlich erschöpft in meinem Bettchen.
    »Gute Nacht, Kavita«, sagte ich. »Super, dass du da bist.«
    So schlafwandlerisch, wie sie hereingekommen war, nahm ich an, dass sie genauso müde war wie ich. Ich jedenfalls konnte kaum noch die Augen offen halten.
    »Ist doch selbstverständlich«, sagte sie und knipste das Licht aus.
    Meine Lider wurden immer schwerer, aber durch die Wimpern hindurch konnte ich noch ihre weichen Umrisse auf dem Bett erkennen. So lässig, wie sie dalag, schien sie förmlich im Mondlicht zu baden. Und aller Müdigkeit zum Trotz, begann ich mich plötzlich zu fragen, ob sie wohl einen amerikanischen Freund hatte. Schließlich gab es solche Multikulti-Pärchen relativ häufig – meine Eltern beschwerten sich ständig zu Hause darüber.
    Diese Art von Unbekümmertheit, die Kavita, im Mondlicht liegend, ausstrahlte, hatte ich leider noch nie verspürt. Vor allem dann nicht, wenn es um Jungs ging. Wenn ich zum Beispiel an Julian oder an Bobby dachte, machte sich bei mir sofort ein gewisses Unbehagen breit: Angespannt fühlte ich mich dann und vor allem dick und irgendwie doof. Vielleicht war ich auch noch nie richtig verliebt gewesen. Ich fragte mich, ob Kavita es jemals gewesen war.
    »Ja, sehr sogar«, sagte sie.
    Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich laut gefragt hatte.
    »In einen Inder?«
    »In einen ABCD! Lustig, oder?«
    Ich konnte sie förmlich lächeln hören.
    »ABCD?«
    »Kennst du das etwa nicht? So nennen wir in Indien Südasiaten, die in zweiter Generation in Amerika aufwachsen. Das steht für ›American Born Confused Desi‹.«
    »Was soll denn Desi bedeuten?«
    »Desi kommt von Desh – und das bedeutet auf Hindi so viel wie Land. Es ist eine Bezeichnung für jemanden, der südasiatische Wurzeln hat. Das Alphabet geht übrigens bis zum Z – es ist zwar nicht immer ein besonders schmeichelhaftes Alphabet, aber immerhin.«
    Ich konnte es kaum glauben: Jemand hatte darüber tatsächlich ein ganzes Alphabet fabriziert? Plötzlich war ich wieder wach.
    »Und du bist also in einen American Born Confused Desi verliebt?«
    »Na ja, zumindest in einen American Born Desi.«
    Sie ließ sich auf das Bett zurückfallen.
    »Mensch, der Wein ist mir ganz schön in die Birne gestiegen!«, stöhnte sie. Und dann sagte sie mit einer Stimme, die ganz weit weg klang: »Es ist so schön, dich endlich wiederzusehen, Dimple. Tut mir Leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Aber es war ein verdammt anstrengendes Jahr. Übrigens denke ich immer an dich als meine kleine Schwester – obwohl du jetzt gar nicht mehr so klein bist … Gute Nacht, träum was Schönes.«
    Damit drehte sie sich zur Seite, sodass sich ihre Locken wie ein Fächer über dem Kopfkissen ausbreiteten. Erst jetzt fiel mir etwas Dunkelrotes auf ihrem Nacken auf. Es schien eine Art Muster zu sein. Ich blinzelte, aber ich konnte nicht erkennen, was es war. Eine seltsame Verzierung.
    Es war das Letzte, was ich an diesem Abend sah, bevor mich der Schlaf übermannte.
    ★ ★ ★
    Als ich aufwachte, war Kavita bereits fort. Ich hatte gar nicht gehört, dass sie aufgestanden war. Jetzt wo sie weg war, fühlte ich mich irgendwie ganz leer. Ich hatte ihre Gegenwart genossen – so wie ich immer Gwyns Gegenwart genossen hatte, wenn sie bei mir übernachtet hatte, bevor Dylan auf der Bildfläche erschienen war.
    Ich setzte mich auf und sah, dass am Fußende meines Bettes Kavitas Tüte lag. Offenbar hatte sie sie vergessen. Doch da ein Stück einer Schleife herauslugte, sah ich genauer hin. Eine große blaue Box lag in der Tüte, verziert mit lauter Papierrosen. Aha, hier ist also meine zweite Salwar zum Geburtstag, dachte ich und

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