Karma Girl
ihre Haut hatte die Farbe eines Sonnenaufgangs über einer Sanddüne. Sie hatte alle richtigen Bewegungen drauf, geschmeidig und fließend, und sogar ihr Kopf schien mitzutanzen, so wie sie ihn zum Rhythmus mit halb geschlossenen Lidern von links nach rechts kreisen ließ.
»Sieht aus, als hätte Zara deine Freundin in die Schranken gewiesen«, bemerkte Sabina hinter mir.
Sie hatte Recht: Neben dieser neuen Königin wirkte Gwyn wie ein affiger Cheerleader, der wie wild herumfuchtelte. Sie hatte das selbst noch gar nicht gemerkt und war immer noch genauso tanzbesessen wie zu Beginn.
Diese Frau, Zara, verkörperte Anmut und Weiblichkeit in Vollendung, nach der ich mich doch so sehr – vergeblich – sehnte. Aber in gewissem Sinne war sie für mich gerade deshalb ein besonders passendes Vorbild: Denn ich würde niemals so blond, hellhäutig und groß wie Gwyn sein. Wenn man sich diese schwarzhaarige, dunkelhäutige und eher klein gewachsene Schönheit ansah, schien diese Aussicht auf einmal gar nicht mehr so schlimm, sondern – im Gegenteil – eher positiv zu sein. Ich hätte dasitzen und ewig zuschauen können. Wahrscheinlich würde es kein Foto der Welt je schaffen, diese ganz besondere Grazie Zaras einzufangen, doch ich gab mir trotzdem einen Ruck und zückte Chica Tikka. Als ich das Objektiv endlich auf die richtige Entfernung eingestellt hatte, war Zara bereits irgendwo in der tanzenden Menge verschwunden. Dennoch: Jetzt hatte ich Blut geleckt, hüpfte von meinem Barhocker und ging auf Fotojagd.
Dadaji, du wirst es lieben!
Ich schoss pausenlos Fotos und mittlerweile war der Laden gesteckt voll. Unter diesem Publikum gab es keine Stinkstiefel – nur gut gelaunte Leute, die die Tanzfläche zum Beben brachten. Man hatte den Eindruck, als könne jeden Augenblick der Boden nachgeben und gleichzeitig das Dach einstürzen, und trotzdem würden alle weitertanzen, unter dem riesigen Himmel und den funkelnden Sternen. Obwohl man in Manhattan vor lauter Leuchtreklame meistens gar keine Sterne zu Gesicht bekam. Aber ich hatte an diesem Abend das Gefühl, als müssten ein paar zu sehen sein, und schlich mich einfach durch den hinteren Notausgang nach draußen.
★ ★ ★
Der Hinterhof war öde und verlassen, nur ein paar Autos parkten hier und drum herum war ein Maschendrahtzaun gezogen. Die Luft war mild und angenehm und eine kleine Windböe umschmeichelte meine Haut. Ich sog die Luft tief ein, und als ich in den Himmel schaute, entdeckte ich tatsächlich eine Sternschnuppe. Schnell, ich musste mir etwas wünschen.
Die Sternschnuppe bewegte sich immer weiter, und ich glaubte schon, das läge an meinen gekreuzten Fingern und meiner starken Konzentration. Dann blinkte das Ding erst rot, dann weiß, dann wieder rot mit ein bisschen blau, und ich begriff, dass es sich hier um ein Flugzeug handelte, das wie ein göttlicher Funke den Himmel querte. Ob mein Wunsch dennoch galt?
»Dein Wunsch gilt trotzdem«, wehte eine rauchige Stimme zu mir herüber.
Es war Zara. Gerade als ich aufgehört hatte, nach ihr zu suchen, fand ich sie. Und sie war nicht allein, sondern stand, mit dem Rücken an die Backsteinmauer gelehnt, neben sich den Jungen, dem Gwyn in der Warteschlange zugeblinzelt hatte. Er hielt zärtlich ihre Hand.
»Komm schon, verschwende deinen Film nicht für andere Sachen«, sagte sie mit starkem Akzent und blickte auf meine Kamera. »Du hast hier gerade einen klassischen Kodak-Moment vor der Linse.«
Ich konnte es kaum glauben.
»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht?«, fragte ich.
»Mir was ausmachen? Ich wäre beleidigt, wenn du uns nicht fotografieren würdest.«
Das war natürlich das Letzte, was ich wollte. Also zückte ich Chica Tikka und nahm die beiden ins Visier. Sie lächelten in die Kamera, aber es war kein bloßes Foto-lächeln: Ihr Glück wirkte so greifbar wie der Mörtel zwischen den Mauersteinen und das Salz in der Luft in dieser Nacht.
»Eins … zwei … cheese !«, sagte ich.
»Jalfreezi!«, rief sie.
Ich drückte auf den Auslöser.
»Ich möchte aber auch einen Abzug davon, Foto-Girl.«
»Dimple Lala«, sagte ich.
»Zara Thustra«, sagte sie.
»Wie soll ich dir das Foto zukommen lassen?«
»Ach, wo ein Wille ist …«, sagte sie und wandte sich wieder dem Jungen zu, und zwar derart intim, dass unmissverständlich klar war, dass sie unsere Unterhaltung als beendet betrachtete.
Bevor ich wieder in den Club zurückging, drehte ich mich noch einmal um. Da sah ich das
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