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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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sehr zu vermissen, was?«
    So, wie er »Dada« anstatt Großvater sagte, wurde mir ganz warm ums Herz, und ich begann, mich immer wohler zu fühlen. Ich nickte, wobei ich immer noch zu Boden starrte.
    »Aber es muss fast so sein, als wäre er bei dir, wenn du fotografierst«, fuhr er fort. »Als würde er dich durch die Linse hindurch anblicken.«
    Ich erschrak förmlich wegen seiner Genauigkeit. Woher wusste er das bloß alles?
    »Woher weißt du …?«
    »Telepathie«, sagte er, legte Trinkgeld auf den Tresen und reichte mir mein Wasserglas. Sabina hatte es wie immer randvoll geschenkt, aber Karsh stieß beim Zuprosten nur ganz leicht mit seiner Bierflasche an und so verschütteten wir keinen Tropfen.
    »Auf jeden Fall scheinst du ein unglaubliches Talent fürs Fotografieren zu haben«, nahm er den Faden wieder auf.
    Ich hätte ihm nur allzu gern geglaubt.
    »Aber du hast meine Fotos noch gar nicht gesehen«, sagte ich.
    »Ich habe dir immerhin beim Fotografieren zugesehen, hier, heute Abend. Und, na ja, ein paar Aufnahmen habe ich schon gesehen, obwohl die wahrscheinlich noch aus einer anderen Phase stammten, wenn man bedenkt, was du jetzt so knipst. Ich meine, technisch gesehen waren sie einwandfrei, so nicht …«
    »Häh?«
    Wovon redete er bloß? Bisher war noch nie jemand in meiner Verdunkelungskammer gewesen.
    »Na ja, die Fotos bei euch zu Hause. Im Windfang.«
    Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Bei uns im Windfang hingen gar keine Fotos. Da standen nur diese … Rahmen!
    »Das ist nicht dein Ernst!«, sagte ich und fing an zu grinsen. Er hatte mir also nur ein Kompliment machen wollen! Schnell erzählte ich ihm, was es mit diesen Fotos wirklich auf sich hatte, und wir beide mussten ziemlich darüber lachen.
    »Siehst du, du kennst meine Fotos also gar nicht.«
    »Ich würde sie aber gern mal sehen. Du hast mich ja noch nicht eingeladen.«
    »Na ja, ich bin mir nicht so sicher, ob sie wirklich gut sind, weißt du. Aber die Einladung kann ja noch kommen«, sagte ich und prostete ihm zu.
    Während wir tranken, wanderte sein Blick über die Tanzfläche. Er sah in dieser Umgebung ganz ähnlich, aber gleichzeitig vollkommen anders aus als bei unserer Begegnung bei mir zu Hause. Seine Haut war hier irgendwie goldener, seine Augen reflektierten das Disco-licht wie glühende Kohlen und sein Profil wirkte ganz majestätisch mit der markanten Stirn und der langen Nase.
    Ich folgte seinem Blick, der bei der Ein-Mann-Tanzmaschine Gwyn endete. Sie war immer noch in voller Cheerleader-Fahrt, einen hechelnden Pulk Jungs um sich herum.
    »Ist das deine Freundin?«, fragte Karsh und deutete mit seiner Bierflasche in Gwyns Richtung.
    »Ja.«
    »Hat sich schon 'nen ganz schönen Fanclub angelacht heute Abend. Gleich von Beginn an.«
    »Tja, das ist bei Gwyn jedes Mal so.«
    »Wirklich?«, sagte er und wandte sich wieder mir zu.
    Das erklärte also, warum er mich beobachtet hatte: Er hatte sie beobachtet und ich war einfach nur hin und wieder in seinem Blickwinkel aufgetaucht. Ich war über mich selbst überrascht, dass ich tatsächlich so etwas wie Enttäuschung darüber empfand.
    »Willst du gar nicht tanzen?«
    Oh nein, jetzt hatte er mich! Auf gar keinen Fall würde ich da unten mit Gwyn Pirouetten drehen. Schließlich war sie schon aufgewärmt.
    »Mir tun die Füße weh«, sagte ich.
    »Als du vorhin mit der Kamera unterwegs warst, schienen sie dir nicht wehzutun«, meinte er und klang ein bisschen enttäuscht. »Übrigens war ich ziemlich über rascht, dich hier zu sehen.«
    »Wieso?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich weil du bei unserem Treffen ein bisschen abweisend gewirkt hast.«
    »Warst du nicht auch ein bisschen abweisend?«
    »Fand ich nicht. Weißt du, ich seh's bei solchen Treffen so: Was kann schon Schlimmes passieren? Bestenfalls findet man einen neuen Freund.«
    »Es tut mir Leid«, sagte ich. »Ich war an diesem Tag mit den Gedanken woanders.«
    »Vielleicht bei jemand anderem?«
    »Vielleicht ein bisschen«, gestand ich. Julians süßes Gesicht erschien für einen Moment vor meinem geistigen Auge. »Aber jetzt nicht mehr.«
    »Nicht?«, sagte er. »Hör zu, es tut mir Leid. Ich hätte mich vorab ein bisschen nach dir erkundigen sollen, ob du mit jemandem zusammen bist und so. Es war so, dass meine Mutter ganz aufgeregt wegen des Treffens war, und jetzt, seit mein Vater so ziemlich von der Bildfläche verschwunden ist, ist es mir noch wichtiger geworden, Leute kennen zu lernen, die die beiden noch

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