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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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Mutter nun Richtung Segelboote-Mobile und zu meiner absoluten Verblüffung fort, »der hab ich ohnehin nie so richtig getraut. Die hat so was … Spitzes, Fuchsartiges in ihrem Gesicht. Und sie hat Kavita nie ausreden lassen. Als ob sie so superschlau wäre, dass niemand ihre genialen Gedanken unterbrechen dürfte. Ich meine, hallo …!«
    »Ihr … ihr wusstet also über Kavita und Sabina Bescheid?«
    »Ich bitte dich, Dimple! Sogar ein Blinder hätte das gesehen. Und Kavita hat ohnehin noch nie gut etwas verheimlichen können. Außerdem hat man's Sabina schon von ihrer ganzen Art her angesehen, die trug neulich zum Beispiel so eine typische Schlüsselanhängerkette am Gürtel, und ihre Fingernägel waren ganz kurz – aber nicht abgeknabbert …«
    Meine Mutter, megascharfsinnig!
    »Im Übrigen ist die Liebe zwischen Frauen in Indien sowieso nichts Neues«, fügte sie hinzu und zuckte mit den Schultern. »Das ist schon uralt. Aber die Liebe zwischen Frauen in New Jersey? Daran muss man sich erst mal gewöhnen.«
    »Erspar mir bitte die Details«, stöhnte mein Vater. »Die bloße Tatsache reicht schon vollkommen aus.«
    »Du hast es auch gewusst, Papa?«
    »Deine Mutter hat es mir irgendwann erzählt, obwohl ich ihr lange Zeit nicht glauben wollte.«
    »Ob Kavita wohl noch wach ist?«, fragte ich. »Meint ihr, ich kann sie noch anrufen?«
    Meine Mutter zeigte auf den Hörer, den sie kurz zuvor auf den Tisch gelegt hatte, nahm ihn schließlich und hielt ihn sich ans Ohr.
    »Sie ist noch dran. Kavita? Beta? Deine Cousine möchte mit dir sprechen.«
    »Sie ist am Apparat?«, rief ich.
    »Natürlich ist sie am Apparat.«
    »Warum habt ihr denn nicht gleich den Lautsprecher angestellt?«, ätzte ich und schnappte mir den Hörer.
    »Aber Dimple! Das ist doch eine sehr private Angelegenheit für sie!«
    Der Hörer war noch glühend heiß und man konnte sogar noch den Gewürznelken-Atem meiner Mutter daran riechen. Aus der Muschel drang lautes Schluchzen, unsichtbare Tränen flossen aus den winzigen Löchern.
    »Hallo, Kavita«, sagte ich mit sanfter Stimme.
    »Hi … hi, Dimple«, brachte Kavita hervor. »Tut mir Leid wegen heute Abend.«
    »Deren Pech«, sagte ich. »Wie geht's dir denn?«
    »Ging schon mal besser, Cowgirl. Die Wohnung wirkt auf einmal so leer. Alles ist so … groß. Ich kann gar nicht fassen, dass die Bude mal ziemlich voll gestopft gewirkt hat – und dass wir uns darüber beklagt haben. Bei jedem Geräusch, das ich höre, macht mein Herz einen Satz. Erst denke ich, das ist sie, und dann hab ich nur noch Angst. Ich hab einfach noch keine Nacht allein in dieser Stadt verbracht. Tut mir Leid. Würde es dir was ausmachen, noch ein bisschen länger mit mir zu telefonieren?«
    »Ich bleib so lange dran, bis du eingeschlafen bist, wenn du möchtest. Ich bleib sogar dran, wenn du schläfst – ich leg den Hörer einfach neben mich, und wenn du aufwachst oder Angst kriegst, bin ich sofort da.«
    Mein Vater hatte sich seine Jacke übergezogen und hielt den Autoschlüssel in der Hand.
    »Wo willst du hin, Schatz?«, fragte meine Mutter.
    »Ich fahr nach New York«, sagte er, »und bring unsere Beta nach Hause.«
    »Ich fahre«, sagte ich.
    Niemand protestierte.
    ★ ★ ★
    Kavita wartete vor Waverly and Waverly an der Straßenecke, einen kleinen Koffer neben sich auf dem Bürgersteig. Ihre Haare reichten ihr mittlerweile fast bis zum Po. Sie trug einen Regenmantel, obwohl es gar nicht regnete.
    Noch bevor ich auf »Parken« schalten konnte, öffnete sie die hintere Tür, stieg ein, legte sich wortlos quer auf die Rückbank und benutzte ihr Köfferchen als Kopfkissen. Mein Vater griff mit einer Hand nach hinten und hielt ihren Fuß fest, und schließlich, irgendwann, schlief sie ein und schnurrte hinter uns so laut wie ein zweiter Motor, während wir wieder zurück zu unserem Landsitz bretterten.

31. KAPITEL
Schnappschuss
    Gwyn verbrachte nun ihre gesamte Freizeit mit Karsh, denn sie bereiteten den Gig des Jahres vor. Und ich leistete unterdessen auf eine ganz und gar nicht gandhimäßige Weise passiven Widerstand gegen meinen Herzschmerz. Ich war ziemlich angefressen: Ich hätte jetzt an ihrer Stelle sein können – das ging mir die ganze Zeit durch den Kopf. Ich konnte immer noch nicht fassen, mit welcher Selbstverständlichkeit Gwyn meine Idee geklaut hatte. Vielleicht wäre ich sogar ein bisschen weniger enttäuscht gewesen, wenn sie mich hin und wieder in ihrem ach so vollen Terminkalender untergebracht

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