Karma Girl
hätte. Doch sie hatte mich einfach fallen gelassen wie einen heißen Tandoor.
Mittlerweile war es ja fast schon zu einem vertrauten Ritual geworden, dass sie ihre beste Freundin zugunsten eines festen Freundes vernachlässigte. Was diesmal allerdings nicht vertraut war, das waren die Gefühle, die ich für den betreffenden Jungen empfand. Das machte alles nur noch schlimmer.
Aber es gab da noch etwas: die simple Tatsache, dass ich Gwyn vermisste. Etwas zu voreilig hatte ich mich offenbar daran gewöhnt, dass ich nach Dylans Abgang in ihrem Leben wieder eine Rolle spielte, und um ehrlich zu sein, fühlte ich mich irgendwie einsam. Aber bloß rum-zusitzen und darauf zu warten, dass sich unsere Freundschaft wie von selbst wieder einrenkte, brachte mich auch nicht weiter, wie mir immer mehr bewusst wurde. Also fasste ich – als waschechte Tochter einer Kriegerin – den Entschluss, Gwyn anzurufen und ihr die Wahrheit zu sagen (allerdings nicht bezüglich der Sache mit dem Tandoor oder meiner Gefühle für Karsh, so mutig war ich dann doch nicht).
Ich erreichte sie auf ihrem Handy. Sie war in New York – um an einer Redaktionssitzung bei Flash! teilzunehmen, wie sie mir noch vor dem Hallo-Sagen verkündete. Seit sie die große Event-Managerin des Blattes geworden war, hatte sie bereits öfter daran teilgenommen.
»Oh, schon gut«, sagte ich, »dann passt das jetzt wohl gerade nicht.«
»Für dich hab ich immer Zeit, Dimps. Schieß los.«
»Na ja, äh, ich wollte nur mal anrufen, und, äh, mich mal melden«, stammelte ich. Im Hintergrund konnte ich den betriebsamen Straßenlärm von New York City hören und kam mir ziemlich blöd vor, weil ich ihre kostbare Zeit stahl. Ich wünschte, ich hätte irgendwas Konkretes zu fragen gehabt, wie: Hast du zufällig Maria Theresa Mon tanas E-Mail-Adresse?, oder: Kann ich mir deinen Bademantel ausleihen? – so was in der Art. »Hm, na ja, weißt du, ich hab dich schon so lange nicht mehr gesehen«, unternahm ich einen neuen Anlauf. »Ich glaub, ich hab dich einfach nur vermisst.«
»Ich vermisse dich auch, Dimps!«, rief sie fröhlich. Ich stellte mir vor, wie sie gerade an der Straße nach links und rechts guckte und dann theatralisch hinüberging.
»Nee, ernsthaft. Du machst dich so rar in letzter Zeit.«
»Wie meinst du das?«
»Ich weiß nicht. Du bist plötzlich so beschäftigt. Ich dachte, wir könnten mal wieder zusammen abhängen, so wie früher.«
Ich hörte, wie sie Entschuldigung zu jemandem sagte, und stellte mir nun vor, wie sie geschmeidig durch die Menschenmenge auf dem Bürgersteig lavierte.
»Dimple, Süße, mir kommt da gerade eine Idee«, sagte sie. »Nach der Sitzung geh ich direkt nach Hause. Warum kommst du nicht einfach rüber und wir quatschen so wie in alten Zeiten? Nur wir zwei. Wir könnten auch in die Mall gehen oder so. Uns Klamotten für die Party kaufen.«
Ich stellte mir vor, wie wir bei Style Child Klamotten anprobierten oder von einer Bank aus die vorbeigehenden Jungs bewerteten.
»So wie früher?«, fragte ich erleichtert.
»Genau so.«
Ich hätte vor Glück platzen können. Vielleicht hatte ich ihr ja doch unrecht getan und sie falsch eingeschätzt. Vielleicht war sie trotz aller Geschäftigkeit immer noch meine gute, alte, geliebte Gwyn.
»Dimple, die Verbindung ist gleich weg«, sagte sie, und ich konnte an ihren Schritten hören, dass sie eine Treppe in die Metro runterging. »Wir sehen …«
Ihre Worte lösten sich in Millionen kleine Partikel auf, dann war die Leitung tot. Aber ich setzte sie einfach für mich wieder zusammen – wir würden uns also endlich, endlich, endlich wiedersehen: schon heute Nachmittag.
★ ★ ★
Als ich später bei Gwyn auflief, stand Karshs Golf auf der breiten Einfahrt.
Also wer genau wollte hier eigentlich mit wem quatschen?
Der Anblick seiner Birkenstocks auf der Veranda, an die sich lüstern Gwyns Sandaletten schmiegten, sah nach nichts weniger als purem Verrat aus. Ich hatte mir gerade geschworen, dass ich meine Schuhe auf jeden Fall anbehalten würde, als die beiden zur Tür herauskamen.
»Hallo, du«, sagte Karsh freundlich lächelnd, stellte seine Taschen ab und bückte sich, um sich die Schuhe anzuziehen. Er hätte genauso gut Hallo, du, mein Fuß sagen können!
Gwyn schloss die Haustür ab und schob sich lässig die Sonnenbrille von der Nase auf den Kopf.
»Hallo, Dimps«, sagte sie. Sie sah aus wie aus dem Ei gepellt, offensichtlich wollten die beiden noch irgendwohin.
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher