Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
zischte sie. »Verbeug dich sofort.«
Giuliana dachte gar nicht daran, und der Musiklehrer begann wieder mit seiner Litanei. Nach einem Augenblick unterbrach ihn Basin Farhaad barsch. Er wandte sich an Giuliana: »Du wirst lernen, was ich von dir erwarte.«
Mimi übersetzte, und in ihrem Tonfall lag eine nicht zu überhörende Genugtuung. Unter dem harten Befehl zuckte Giuliana zusammen, aber sie senkte nicht den Blick.
»Ich kann es nicht. Mir fehlt das Talent für Musik und Gesang. Gebt mir einen Kohlestift und einen Bogen Papier, dann zeichne ich Euch ein Bild, das die Augen eines jeden Mannes erfreut.«
»Heidnisches Zauberzeug will ich in meinem Serail nicht haben. Und zieh deine Handschuhe wieder an, statt halb nackt Männer in Versuchung zu führen.«
Sie hob die Handschuhe auf und behielt sie in der Hand. »Damit gelingt mir die Musik noch schlechter. Gott hat mich so geschaffen, wie ich bin. Ich bin die Tochter eines Mosaiklegers, ich kann mit Steinen arbeiten und Zeichnungen anfertigen. Osmanisch zu lernen, gelingt mir von all meinen Aufgaben noch am besten …«
Mimi übersetzte zungenfertig.
»Du musst dir mehr Mühe geben. Stellst du mich nicht zufrieden, werden deine Lehrer dafür bezahlen. Jeder einzelne.«
Basin Farhaad wirbelte herum und verließ den Raum wieder, sein Gefolge mit ihm. Der Musiklehrer bewegte stumm die Lippen, als habe er bereits mit seinem Leben abgeschlossen und bete. Betroffen schaute Giuliana zwischen ihm und Sulana hin und her.
»Das meint er doch nicht ernst?«
»Verlass dich nicht darauf. Er ist unser Herr und bestimmt über jeden Augenblick unseres Lebens.«
»Doch nicht über ihn.« Sie deutete auf den Musiklehrer.
»Er ist Sklave wie wir.«
Das hatte sie nicht bedacht; sie hatte den Mann für einen Hauslehrer gehalten, wie es auch in den reichen Häusern Venedigs einen für die Kinder gab.
»Wird er ihn töten?«
»Er macht sich an uns nicht die Hände schmutzig. Er lässt töten.«
Sie lauschte auf Mimis gleichmäßige Atemzüge. Die Augsburgerin schlief tief und fest, es war die beste Zeit, ihren Plan auszuführen. Sie stand leise auf, unter dem Bett hatte sie ein Bündel mit ihrer Kleidung versteckt; das nahm sie. Im stillen und leeren Aufenthaltsraum zog sie sich an, schlich über den Flur zum Ausgang des Serails und klopfte dort an eine Tür.
Die war natürlich bewacht, und von außen wurde eine kleine Klappe geöffnet. Sie wurde gemustert, sah den Wächter nicken, und ihr wurde geöffnet.
»Wie immer?«, brummte der Mann.
»Wie immer.«
Das bedeutete der gemütliche Raum, in dem sie ihre täglichen Lektionen erhielt. Nachdem Basin Farhaad sie dort aufgesucht hatte, war sie Nacht für Nacht hingegangen. Dem Wächter hatte sie eingeredet, sie wolle heimlich üben, um beim Musizieren und Singen besser zu werden. Da ihre Talentlosigkeit kein Geheimnis war, hatte der Mann sie in der ersten Nacht hingebracht. Vor Anbruch der Dämmerung war sie zurückgekehrt, in der nächsten Nacht durfte sie allein gehen, und immer war sie brav zurückgekommen.
In dem Lernzimmer angekommen, beachtete sie die in der Ecke lehnende Saz nicht, sondern rückte einen der niedrigen Tische unter das Deckengitter. Sie stellte sich darauf, und mit beiden Händen und unter Aufbietung einiger Kraft stemmte sie es hoch und drückte es beiseite. Gelockert hatte sie es in den Nächten zuvor.
Das Gitter machte ein hässlich scharrendes Geräusch auf dem Dach, aber im Haus blieb alles ruhig. Giuliana griff mit beiden Händen an den Rand der Dachluke und zog sich hoch. Sie brauchte ihre ganze Kraft, und als sie auf dem Dach hockte, musste sie einen Augenblick verschnaufen. Sie schaute sich um. Flachdächer und Kuppeln wechselten sich in munterer Reihenfolge ab.
Sie war noch nie außerhalb des Hauses gewesen und sah sich einer Schwierigkeit gegenüber, die sie nicht berücksichtigt hatte. Auf das Dach entkommen, frei sein – weiter hatte sie nicht gedacht. Wo endete das Haus, in welcher Gegend Istanbuls war sie, und wie kam sie zum Hafen? Auf keine dieser Fragen wusste sie eine Antwort.
Egal – erst einmal weg. Geduckt lief sie los, bis sie den Rand des Hauses erreicht hatte. Ihre Sandalen trug sie an Lederriemen in der Rechten, die nackten Füße machten auf dem Dach kaum ein Geräusch. Eine stille nächtliche Gasse lag unter ihr; vom Dach stieg sie auf eine niedrige Mauer, und von dort sprang sie auf die Straße. Sie fühlte sich wie eine Katze, als sie auf allen Vieren
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