Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
beide um Längen.
»Ich dachte, ich kenne jeden Raum im Palazzo«, sagte er schließlich, als sein Vater einfach schwieg.
»Ich kann dir versichern, wir haben keinen Goldraum. Wie erklärst du mir das hier?« Ludovico Bragadin zog aus dem Ärmel seines Wamses ein zusammengefaltetes Papier.
Amadeo erkannte seine eigene Schrift, nachdem der Bogen auseinandergefaltet war. Es war eine Zusammenfassung der Bestellungen für die Marmorsteine, die er nach Carrara, Spanien, Frankreich und Kreta geschickt hatte. Er hatte zwar das Geld noch nicht ausgegeben, aber alles getan, damit es in Zukunft ausgegeben werden musste.
»Das ist für das Mosaik«, antwortete er und fragte sich immer noch, worauf sein Vater eigentlich hinauswollte. Er hatte schließlich das Werk bei Il Sasso bestellt.
»Hast du dich gefragt, was das alles kosten wird?«
»Wenn du den besten Mosaikleger beauftragst, der für Gold zu haben ist, darfst du beim Marmor nicht knauserig sein, sonst haut er dir den ganzen Auftrag um die Ohren und arbeitet für die Vendramins.«
Die Familie Vendramin waren die größten Konkurrenten der Bragadins.
»Zwischen knausrig und dem, was du hier getrieben hast, besteht ein Unterschied wie zwischen Himmel und Hölle. Ich will doch das Mosaik nicht in Gold und Edelsteinen legen lassen. Was weißt du über das Bankhaus Graziani?«
»Es ist zusammengebrochen im September letzten Jahres.«
Der Aufschrei darüber war noch jenseits der Alpen und bis hinunter ins Königreich Neapel zu hören gewesen. Viele venezianische Kaufmannsfamilien und Patrizier hatten Geld verloren. Die Familie Bragadin arbeitete seit jeher mit dem Bankhaus Medici aus Florenz zusammen, deshalb verstand Amadeo seinen Vater nicht.
»Wenigstens das weißt du. Bei Graziani haben wir kein Geld verloren, aber viele unserer Geschäftspartner. Ich kann dir zwei nennen, die bankrott gegangen sind, und die Pastakis in Kandia hat das an den Bettelstab gebracht. Das Geld, das sie uns schulden, kann ich abschreiben. Bei anderen unserer Schuldner ist es fraglich, ob wir unser Geld je wiedersehen und wie viel davon … Ich habe vier Schreiben unserer Gläubiger erhalten, in denen sie höflich, aber doch bestimmt anfragen, ob ich ihnen das Geld nicht vorfristig zahlen kann, sie sind wegen des Graziani-Bankrotts in Geldnöten. Kommt noch so ein Schreiben, muss ich selbst Kredit aufnehmen. Das meine ich, wenn ich sage, dass der Zusammenbruch des Bankhauses Graziani auch uns betrifft. Aber du wirfst die Dukaten mit beiden Händen hinaus.«
Schulden und Forderungen, Hypotheken, Pfänder und Bankhäuser, das alles war ein kompliziertes Geflecht, in dem man sich leicht verstricken konnte. Sein Vater war Meister darin, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden, deshalb nahm Amadeo sein Gejammer nicht ernst – das gehörte zum Geschäft dazu.
»Das Mosaik ist eine Investition in unsere Zukunft. In hundert Jahren werden sich unsere Nachfahren noch daran erfreuen. Und wenn Deodato aus Spanien zurückkommt, hast du dein Gold zwei- oder dreimal wieder drin.«
»Du bist leichtsinnig. Ich weiß nicht, von wem du das hast.«
Amadeo lachte auf. »Seit ich laufen kann, hast du vor jedem Geschäft die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gejammert, was alles schiefgehen kann, und danach hast du gejammert, dass du kaum Profit erzielt hast, während du die Dukaten auf dem Tisch zu hohen Stapeln auftürmtest.«
Das war tatsächlich das früheste Bild seines Vaters, an das er sich erinnerte. Ludovico Bragadin stand hinter einem hohen Tisch in seinem Kontor und zählte Geld. Immer zwanzig Dukaten stapelte er aufeinander und machte einen Strich auf einer Liste. Von dem goldenen Blitzen und Blinken hatte Amadeo sich geblendet gefühlt, und der drei Jahre ältere Deodato hatte angeben wollen, wie wenig ihn das Ganze beeindruckte, und war im Kontor herumgesprungen. Dabei fiel er und stieß gegen den Tisch, die mühsam aufgetürmten Dukatenstapel fielen um, der Vater musste mit dem Zählen noch einmal von vorn beginnen. Für Deodato setzte es eine Tracht Prügel, und Amadeo blieb seitdem dem Kontor fern.
»Du gehst nicht mit dem notwendigen Ernst durchs Leben. Ich frage mich, warum Gott mich mit einem so leichtfertigen Sohn gestraft hat.«
»Sag es mir, wenn du eine Antwort bekommen hast.«
»An Respekt mangelt es dir auch.« Ludovico Bragadin schüttelte den Kopf, aber Amadeo sah das Lächeln in dessen Mundwinkeln. Schlagfertigkeit gefiel seinem Vater – immer.
Und er wusste
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