Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
hätte seinen Bruder am liebsten ausgefragt, und seinem Vater war anzusehen, dass er das Gleiche tun wollte. Keiner der Männer hatte jedoch im Augenblick Zeit dafür: Sie mussten das Ausladen der Maestoso überwachen, und Deodato als Kapitän musste die Seeleute und Ruderer auszahlen. Jeder von ihnen schleppte einen Ballen von Bord, in dem sie selbst eine kleine Menge Waren aus Spanien mitbrachten, um sie in Venedig zu verkaufen. Alle Kaufleute hatten einmal so angefangen, denn es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Seemann eine bestimmte Menge Lagerplatz für sich beanspruchen durfte, um Waren seines eigenen Geschäfts zu transportieren.
Der restliche Lagerplatz der Maestoso war für die eigenen Waren, und ein großer Teil war auch an andere Kaufleute vermietet. Sie selbst oder ihre Bevollmächtigten trafen nach und nach am Kai ein, um ihre Waren abzuholen. Sancia wartete unterdessen in der Nähe einer Reihe hoch aufgetürmter Kisten. Sie hatte die Hände in den weiten Ärmeln ihres Mantels vergraben und sah aus, als sei sie Warten gewohnt. Sie sah aus wie ein Engel. Es verwunderte ihn nicht, dass sein Bruder mit ihr vor den Altar getreten war. Ihre Blicke huschten umher, vom Treiben auf dem Kai entging ihr nichts. Sie war eine, die in dunklen Ecken herumstand, alles hörte und sah und Geheimnisse für sich behielt, bis der richtige Zeitpunkt für ihre Enthüllung gekommen war. Immer der Zeitpunkt, der ihr am meisten nützte.
Amadeo konnte nicht sagen, was an Sancias engelsgleicher Erscheinung ihn auf diese Gedanken brachte, aber er hätte seine rechte Hand darauf verwettet, dass er bezüglich ihres Charakters recht hatte – wie einst Mucius Scaevola, der die Stadt Rom vor einer Belagerung rettete, indem er seine rechte Hand ins Feuer hielt und die Schmerzen aushielt, ohne eine Miene zu verziehen. Sein Bruder war verliebt – er wünschte ihm, dass es immer so blieb.
Während er über Sancia grübelte, gelang es ihm, in Deodatos Nähe zu kommen.
»Das hätte ich nicht von dir gedacht. Eigentlich hatte ich dich immer für einen Langweiler gehalten, dem Zahlen und Bilanzen das Wichtigste auf Gottes schöner Erde sind. Du hast meinen Respekt, Bruder. Hat sich deine Rückreise deshalb verzögert?«
»Erst konnte ich nicht abreisen, weil ich mich von Sancia nicht trennen wollte, dann mussten wir ihren Vater überzeugen, dass es uns ernst ist. Als es uns endlich gelungen war, wollte sie die Hochzeit vorbereiten – ich weiß nicht, warum Frauen darum immer so viel Getue machen müssen.« Dabei warf er einen verzückten Blick zu seinem Eheweib hinüber. »Ein paar Speisen, guter Wein, das reicht doch für ein Hochzeitsbankett, aber sie bestand auf Musikanten und besondere Leckereien. Nach der Hochzeit musste sie sich verabschieden. Es ist ihr nicht leicht gefallen, Valencia und ihre Familie zu verlassen. Mach es ihr in Venedig so leicht wie möglich, Bruder. Ich fürchte, Vater wird es nicht tun.«
»Erstaunlich, dass du das in deinem Liebestaumel bemerkt hast.« Amadeo grinste. »Was hast du erwartet, wenn du mit einem spanischen Niemand hier aufkreuzt? Ein Bragadin, Spross einer der edelsten Familien Venedigs, und die Tochter eines spanischen Notarius! Du bist von uns beiden der Ältere und Erbe des Kontors.«
»Ihr Vater ist in Valencia ein sehr angesehener Mann«, widersprach Deodato ungestüm.
»Sei nicht gleich eingeschnappt. Du hättest die Tochter ihrer Katholischen Majestäten heiraten können, Vater wäre trotzdem verstimmt gewesen, hättest du es ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung getan.«
»Er hatte für mich ein Mädchen ausgesucht, eine Correr. Jetzt wird er dich mit ihr verheiraten wollen.«
Die Corrers waren eine der angesehensten Familien Venedigs; sie hatten mehrere Dogen gestellt, und ohne die Corrers wäre die Serenissima nicht die glänzende Republik, die sie heute war – die schönste Perle Italiens. Die Corrers waren angesehener als die Bragadins, aber nicht deshalb war Amadeo verblüfft und auch nicht, weil Deodato eine Correr hatte heiraten sollen, sondern weil er diese glänzende Partie ausgeschlagen hatte zugunsten der Tochter eines unbedeutenden Notarius.
»Eines von den Mädchen mit dem mausbraunen Haar und einem unscheinbaren Gesicht, das selbst dann nicht ansehnlicher wird, wenn man es in Samt und Seide hüllt?«
»Ich drücke es nicht so brutal aus wie du, aber ich schätze, wir meinen dasselbe Correr-Mädchen.«
»Dann nehme ich sie nicht.«
»Besprich das
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