Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
erledigte. Amadeo hatte sie nach Cannareggio gebracht und von der Gasse aus beobachtet, wie sie sich ins Haus geschlichen hatte. Er hatte sogar daran gedacht, dass sie ihren Anzug brauchte. Seine Fürsorge rührte sie, und erst als sie in ihrer Kammer im Bett lag, war ihr aufgefallen, dass sie zwar Lust und Leidenschaft miteinander geteilt hatten, aber wieder nicht auf die Weise, wie Männer und Frauen sich richtig liebten. Es kam ihr beinahe so vor, als scheue Amadeo davor zurück. Einen Grund dafür hatte sie sich in der Nacht nicht vorstellen können, und bis jetzt war ihr immer noch keiner eingefallen. Sie wollte ihm doch all das schenken, was eine Frau einem Mann geben konnte.
Ein Rascheln riss Giuliana aus ihren Gedanken. In Madonna di San Fantino trippelten die Mäuse wahrscheinlich über den Altar oder schlüpften in das Tabernakel und knabberten die Hostien an – sie wussten ja nichts vom Leib und Blut Christi.
Als sie sich umschaute, entdeckte sie allerdings keine Maus, sondern einen Mann. Nicht den freundlichen Priester dieser Kirche. Der Mann hatte gar nichts Gutmütiges an sich – er war hochgewachsen, trug das volle Haar sorgfältig zurückgekämmt, sein Gesicht zeigte einen hochmütigen Ausdruck, als sei er Besseres gewöhnt, als diese kleine Kirche. Es lag ein Lächeln auf seinen Lippen, das sie nicht deuten konnte – freundlich war es keineswegs. Der Mann trug ein bodenlanges schwarzes Gewand, wie ein Priester oder ein Gelehrter. Sie stieß ihren Vater an.
»Ich hoffe, ich störe nicht.« Der Mann kam näher, mit kleinen Schritten wie eine Frau. Er brachte das Kunststück fertig, dass seine Füße beim Gehen nicht unter dem Gewand hervorschauten – so sah es aus, als gleite er über den Boden. Eine beeindruckende Vorstellung. » Il Sasso und sein Lehrling, wenn ich mich nicht irre.«
»Ihr irrt Euch nicht, Signore. Mit wem habe ich das Vergnügen?« Ihr Vater neigte den Kopf. Unauffällig versetzte er Giuliana einen Stoß, damit sie seinem Beispiel folgte.
Sie verneigte sich, dachte aber gar nicht daran, etwas Höfliches zu sagen.
»Pietro Zianello.« Der junge Mann sagte seinen Namen so hoheitsvoll, als wäre er seine Majestät König Frederico von Neapel. »Der Palazzo meiner Familie liegt ganz in der Nähe. Ich lebe eigentlich in Rom, gehöre im Augenblick zum Gefolge Kardinal Benottos, der sich zu Gesprächen mit dem Dogen in Venedig aufhält. Ich bin ein großer Bewunderer Eures Mosaiks Troilus und Cressida in der Villa Orsini in Rom. Als ich hörte, dass Ihr in der Stadt seid, habe ich meinen Vater überredet, seinen Einfluss geltend zu machen, damit auch Venedig in den Genuss Eurer Arbeiten kommt. Obwohl ich in Rom lebe und in der Villa Orsini ein- und ausgehe, schlägt mein Herz für die Serenissima. Was Rom hat, soll Venedig nicht fehlen.«
»Aha.« Ihr Vater richtete sich zu seiner vollen Länge auf. Nicht nur Zianello konnte hochmütig tun, Il Sasso beherrschte diese Kunst ebenfalls.
Der junge Römer aus der Nachbarschaft ließ ein gekünsteltes Lachen hören. »Ich wollte mich selbst davon überzeugen, dass alles so ist, wie Il Sasso es gewohnt ist.«
»Mit Troilus und Cressida und der Villa Orsini ist das hier nicht zu vergleichen.«
»Dies soll nur ein erster Auftrag sein, weitere werden folgen. Mein Vater wird sich dafür einsetzen. Er kennt alle Männer von Rang und Namen in Venedig und besitzt einigen Einfluss im großen Rat und der Quarantia und anderen Gremien.«
Giuliana konnte sich nicht länger zurückhalten. » Il Sasso hat bereits einen guten Auftrag in Venedig. Deshalb sind wir hergekommen.«
»Nicht auf den Mund gefallen, Euer Junge.« Wieder lachte Zianello. »Ein Auftrag macht einen Mann vielleicht satt, aber nicht reich; weitere müssen folgen. Ich weiß natürlich, dass Ihr für Signore Bragadin arbeiten werdet – so etwas spricht sich in Venedig schneller herum, als eine Taube von der Marcussäule scheißt.«
Der Mann war ihr unangenehm. »Mein Vater ist seit vielen Jahren im Geschäft, er ist mit den Gepflogenheiten vertraut.«
»Nichts anderes habe ich angenommen. Niemand kann nach Venedig kommen und glauben, er brauche nur seinen Namen zu nennen und alle Herzen flögen ihm zu. Das mag in Rom so sein, aber nicht in der Serenissima. Meine Familie hat schon immer Neuankömmlingen in der Stadt geholfen.«
Jetzt wollte er die Kanne der Großzügigkeit über ihnen ausgießen. Wie ölig er war. Am liebsten wäre Giuliana aus der Kirche fortgelaufen, um
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