Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
seinen Anblick nicht länger ertragen zu müssen. Das war mädchenhaft und eines Giulios nicht würdig – breitbeinig blieb sie neben ihrem Vater stehen.
»Ich habe einen Auftrag von Signore Bragadin und einen guten Namen in ganz Italien, meine Familie braucht keine Almosen.«
In diesem Moment war sie stolz auf ihren Vater.
»Almosen ist das falsche Wort. Meine Familie will Il Sasso keine Almosen geben, sie will Euch eine Eintrittskarte zu den wichtigsten Häusern Venedigs verschaffen.« Wieder dieses Grinsen.
Giuliana konnte sich nicht vorstellen, dass er in der Villa Orsini in Rom ein gern gesehener Gast war. Als ihr Vater dort gearbeitet hatte, hatte sie die Orsinis als fröhlich und weltoffen erlebt. Sie hatten Il Sassos Arbeit geschätzt und waren niemals gönnerhaft gewesen.
»Wir werden die Arbeiten in Madonna di San Fantino und im Palazzo Bragadin ausführen. Wir müssen weitermachen. Ich grüße Euch, Signore Zianello.«
Giuliana nahm einen Meißel und setzte ihn in eine Bodenfuge; mit wohldosierter Kraft ließ sie einen Hammer auf den Kopf niedersausen. Eine Kachel löse sich – heil und unbeschädigt. Sie legte sie zur Seite, und die nächste war an der Reihe. Als sie das nächste Mal hochschaute, war der ölige Spross einer einflussreichen Familie verschwunden.
»Hast du den Palazzo Zianello gesehen, als wir heute Morgen gekommen sind? Es muss das große Gebäude auf dem Campo San Maurizio gewesen sein. Er ist so groß und stattlich wie der Palazzo Bragadin.«
Giuliana überlegte. Auf beiden Seiten des Campo San Maurizio hatten Palazzi gestanden, einer langgestreckt und der andere quadratisch. Keiner war so stattlich gewesen wie der Palazzo Bragadin.
»Das ist mir egal«, sagte sie endlich. »Wir arbeiten ja nicht dort.«
»Wer weiß, was daraus werden kann. Der junge Zianello hat ja so geklungen, als müsse sein Vater nur mit dem Finger schnipsen und alle Häuser Venedigs stehen uns offen.«
»Das glaubst du doch nicht etwa, Padre. Davon ist kein Wort wahr. Er lebt in Rom, hat er gesagt, und wer hat schon einmal etwas von der Familie Zianello gehört? Soll er sich rumtreiben in der Villa Orsini und uns in Ruhe lassen.«
»Natürlich darfst du das nicht wörtlich nehmen. Ich weiß genau, wie das läuft, schließlich bin ich länger im Geschäft als du, Giulio. Wenn von seiner Rede ein Viertel stimmt, ist das gut. Kann sein Vater uns Zugang zu einem Haus Venedigs verschaffen, dürfen wir zufrieden sein.«
»Du wirst dich doch nicht auf den verlassen? Padre, er ist ein unangenehmer Mensch mit dreckiger Lache. Für den arbeiten wir nicht.«
»Du sollst ihn nicht heiraten, Kleines.«
»Wenn der sich noch nie mit einer Frau in den Laken gewälzt hat, fresse ich einen Besen«, dachte Giuliana und sagte laut: »Ich will ihn nicht wiedersehen. Er ist schleimig wie eine Schnecke, und wenn du glaubst, er macht etwas ohne Hintergedanken …«
»Was soll er für Hintergedanken haben?« Sie hörte die unterdrückte Wut in der Stimme ihres Vaters. »Eines sage ich dir, Giulio: Il Sasso bin immer noch ich. Ich bestimme, wo wir arbeiten, was wir arbeiten, wer unseren Geschäften förderlich ist und wer ihnen schadet. Pietro Zianello gehört nicht zu Letzteren, schreib dir das hinter deine Ohren.«
Grummelnd fügte Giuliana sich und nahm sich vor, Pietro Zianello gegenüber besonders wachsam zu sein. Er war ein Schurke, da konnte er dreimal geistlichen Standes sein.
Die Maestoso läuft in den Hafen ein – diese Nachricht brachte alle im Palazzo Bragadin auf die Beine. Die Maestoso war die der Familie gehörende Handelskaracke, befehligt wurde sie von Amadeos älterem Bruder Deodato. Er war im Spätherbst zu einer Kauffahrt nach Spanien aufgebrochen. Valencia war sein Ziel gewesen. Sie hatten ihn eigentlich schon an Weihnachten in der Serenissima zurückerwartet, und sein Vater war von Tag zu Tag unruhiger geworden. Amadeo machte sich höchstens Gedanken um den Bruder, keine Sorgen. Deodato konnte auf sich und die Maestoso aufpassen. Er war in vielen Dingen ein Dukatenfuchser, aber wenn es darauf ankam, konnte er zupacken wie ein Mann und sein Leben teuer verkaufen.
Dennoch war Amadeo erleichtert über die Nachricht seiner Rückkehr und machte sich sofort auf den Weg zum Hafen. Dort traf er seinen Vater und die Gesellen aus dem Kontor. Die Heimkehr eines Schiffes von einer Handelsfahrt war ein Ereignis, das niemand verpassen wollte. Die Aufregung aller übertrug sich auf ihn, und er spähte
Weitere Kostenlose Bücher